Erste versagt im Sechs-Punkte-Spiel

Bayers Keeperin Lisa Schmitz rettete mehrfach den Sieg

Bayers Keeperin Lisa Schmitz rettete mehrfach den Sieg

Die Tendenz der 1. Mannschaft in der Bundesliga schien nach oben zu zeigen: Aus den letzten drei Spielen hatte sie fünf Punkte geholt, zuletzt in Saarbrücken nach 0:1 noch 3:1 gewonnen. Nun kam Aufsteiger Bayer Leverkusen an die Hagenbeckstraße. Der hatte in den ersten drei Spielen kein einziges Tor erzielt und zuletzt vier Punkte geholt. Es war also ein Duell der direkten Tabellennachbarn, Zehnter gegen Elfter. Ein typisches Sechs-Punkte-Spiel gegen eine Mannschaft, die man besiegen muss, wenn man die Klasse halten will. Doch am Ende eines schwachen Spiels jubelte nur der Gast.

Kim Kulig zieht aus 25 Metern ab

Kim Kulig zieht aus 25 Metern ab

Den Rothosen fehlte U17-WM-Ausscheiderin Lena Petermann, die nur zum Zugucken ins Stadion gekommen war. Sie sah nach drei Minuten einen Eckball der Gäste um Ex-HSVerin Shelley Thompson. Kerstin Stein brachte den Ball von rechts auf den kurzen Pfosten. Carolin Simon versuchte zur Seite rauszuköpfen und produzierte eine Bogenlampe. Marisa Ewers wollte klären, köpfte den Ball aber nach hinten zurück in die Gefahrenzone, wo Lena Steinbach an die Kugel kam und aus kurzer Distanz ins lange Eck traf – 0:1! Ein überflüssiges Geschenk an das Team vom Rhein. Der HSV war um Gegenwehr bemüht, aber Leverkusen war effektiver. Stephanie Mpalaskas‘ scharfen Eckball köpfte U20-Weltmeisterin Marith Prießen aufs Tor, doch Bianca Weech parierte (7.). Nach zwölf Minuten gab es die erste Torannäherung der Platzherrinnen. Aus 25 Metern zog Kim Kulig flach ab, stellte Lisa Schmitz zwischen den Pfosten der Gäste aber vor keine Probleme (12.). Größtenteils waren die Offensivbemühungen der Hanseatinnen brotlose Kunst. Nach zehn Minuten bekamen sie mehr Spielanteile, aber Leverkusen zog sich schnell zurück, und zusätzlich verhinderten Ungenauigkeiten im Passspiel vor allem über die rechte Seite mit Nina Jokuschies und Maja Schubert größere Gefahr für das Bayer-Tor.

Torschützin Lena Steinbach gegen Carolin Simon

Torschützin Lena Steinbach gegen Carolin Simon

In der 23. Minute sahen die nur 206 Zuschauer die erste größere Möglichkeit des HSV. Ana Maria Crnogorcevic wurde links mit einem langen Ball bedient, setzte sich links durch und zog zum Tor, aber ihr flacher Schieber war für Schmitz zu einfach zu parieren. Sechs Minuten später legte Antonia Göransson von links zurück auf Simon. Die versetzte Johanna Elsig, flankte genau auf den Kopf von Kulig, die aber schädelte aus neun Metern drüber. Solche Chancen waren jedoch eine Seltenheit. Insgesamt waren die Hamburgerinnen nicht zwingend genug. Leverkusen beschränkte sich weitestgehend auf kompakte Defensive und schnelle Gegenzüge über außen, die der HSV mit Mühe abfing. Kerstin Stein versuchte es in der 41. Minute aus 30 Metern, aber Weech hielt problemlos. Die letzte Mini-Chance vor der Pause hatte der HSV. Schubert erkämpfte sich rechts den Ball an der Torauslinie von Feride Bakir und flankte auf Strafraumhöhe auf Crnogorcevic. Doch die kam nicht an den Ball, denn Kathrin Hendrich klärte per Kopf zur Ecke.

U20-Weltmeisterinnen im Zweikampf: Prießen gegen Kulig

U20-Weltmeisterinnen im Zweikampf: Prießen gegen Kulig

In einer ausgeglichenen ersten Hälfte ohne große Höhepunkte – sieht man vom 0:1 ab, das fast ein Eigentor war – war Leverkusen die effektivere Mannschaft. Die frühe Führung machte es ihnen einfach, ihre Taktik durchzuziehen. Der HSV allerdings spielte bis dahin ohne Druck, attackierte erst an der Mittellinie und versuchte, seine erdachte Strategie durchzuspielen. Das Aufbauspiel war eher träge, erlaubte es den Gästen, sich zu formieren und stellte die eigene Offensive vor die Schwierigkeit, kaum Platz zum Kombinieren zu bekommen. Hatten sie mal diesen Platz, machten sie sich diesen Vorteil oft durch eigene unnötige Fehler zunichte. Oft kamen sie über die schwache rechte Seite. Schubert konnte nicht an ihre Leistung aus Saarbrücken anknüpfen, wo sie an allen drei Treffern maßgeblich beteiligt war, sie bekam aber auch kaum Unterstützung von einer ausschließlich defensiv denkenden Jokuschies. Dabei versprachen die Angriffe über die rechte Leverkusener Abwehrseite mehr Potenzial, Göransson arbeitete dort ganz gefällig. Statt dessen lastete zu viel auf Nationalspielerin Kulig, die immer wieder gesucht wurde, was die Spielentwicklung der Rothosen leicht berechenbar machte.

Nina Jokuschies gab Maja Schubert rechts zu wenig Unterstützung

Nina Jokuschies gab Maja Schubert rechts zu wenig Unterstützung

Zur zweiten Hälfte kam Nicole Zweigler für Marisa Ewers ins Spiel, um in der Offensive mehr Druck zu entwickeln. Zudem wechselten Crnogorcevic und Göransson die Positionen. Dem Spiel des HSV tat das trotzdem nicht gut. Leverkusen bekam die nächste Chance, als Mpalaskas mit aufgerückt war und mit einem langen Diagonalball bedient wurde. Ihr Schuss aus 20 Metern ging links vorbei (48.). Fünf Minuten später bekam die frühere Essenerin Gelb für ein Foul an Crnogorcevic. Und auch die nächste Torszene gehörte den Gästen. Aus der Distanz schoss Thompson knapp rechts vorbei (55.). Nach einer Stunde wechselte Leverkusen aus, Carolin Dej ersetzte Feride Bakir. Auch beim HSV kam Silva Lone Saländer für Crnogorcevic, die links keinen Stich sah, und auch Göranssons Stärken verpufften in der Mitte völlig. Saländer sollte aus dem Mittelfeld für Ideen sorgen. Aber auch diese Strategie sollte verpuffen, denn der HSV operierte häufig einfallslos und leicht voraussagbar mit langen Bällen, während Leverkusen gefällig und schnell konterte. Den Gastgeberinnen fehlte ein Konzept und die individuelle Durchschlagskraft, um disziplinierte, ballsichere und clevere Rheinländerinnen vor Schwierigkeiten zu stellen. Während der HSV keinerlei Torchancen entwickelte, zielte die defensive Mittelfeldspielerin Elsig aus 30 Metern nur einen Meter neben den Pfosten (69.).

HSV-Joker Nicole Zweigler kommt gegen Kathrin Hendrich zu spät

HSV-Joker Nicole Zweigler kommt gegen Kathrin Hendrich zu spät

Zwanzig Minuten vor dem Ende wechselte Leverkusens Trainerin Doreen Meier erneut und brachte mit Eunice Beckmann für Kerstin Stein eine frische Kraft für Konter. Eher per Zufall entstand in der 73. Minute eine Möglichkeit für den HSV. Jokuschies spielte diagonal hinten raus vor den Strafraum, Göransson – inzwischen wieder links -, leitete hoch zur Mitte weiter. Im Kopfballduell zwischen Kulig und Hendrich gab es keinen Sieger, aber Kulig setzte nach und schoss volley links daneben. Achim Feifel zog den letzten Joker und brachte Imke Wübbenhorst als Brecherin für Jokuschies. Und die Neue brachte sich gleich ein. Sie erkämpfte den Ball von Hendrich an der Torauslinie und passte kurz zurück zu Göransson. Die Schwedin war halblinks in Schussposition, spielte aber nochmal quer. Kulig stand zwölf Meter frei vor dem Tor, zögerte aber mit dem Abschluss zu lange, und als sie dann schoss, war Schmitz dran, und Hendrich rettete vor der Linie (80.). Göransson wäre eventuell vorher in der besseren Situation gewesen, wirkte aber nach wenig Bindung zum Spiel während des zweiten Durchgangs verunsichert.

Leverkusens Johanna Elsig oben auf gegen Silva Lone Saländer

Leverkusens Johanna Elsig oben auf gegen Silva Lone Saländer

Der HSV machte in der Schlussphase endlich Druck und kämpfte, ohne jedoch gezielte Aktionen zu starten. Die Angriffe strapazierten Kommissar Zufall nach Herzenslust. Die Leverkusenerinnen Dej und Steinbach sahen in dieser Phase den gelben Karton. In der 84. Minute kam Kulig aus 13 Metern flach zum Schuss, aber Schmitz parierte mit den Füßen. Auf der anderen Seite verpasste Bayer 04 die Entscheidung. Halbrechts zog Thompson solo an Simon vorbei, schoss aufs lange Eck, und Weech lenkte die Kugel mit einer Hand zur Ecke (90.). Zu einer eigenen Chance kam der HSV nicht mehr. Leverkusen spielte mit einem Wechsel – Pia Knobloch für Thompson – die Nachspielzeit herunter, und eine weitere Verzögerung entstand durch eine unnötige Gelbe Karte für Aferdita Kameraj. Es blieb beim 0:1.

Elsig herzt Bayers Matchwinnerin Lisa Schmitz

Elsig herzt Bayers Matchwinnerin Lisa Schmitz

Die Niederlage für die Hanseatinnen war durchaus nicht unverdient. Bayer 04 hatte nicht die ganz großen Momente und spielte nicht überlegen, kontrollierte aber über weite Strecken das Geschehen und hielt den HSV auf Distanz. Die Offensivaktionen des Meier-Teams waren überschaubar, aber effektiv. Die Mannschaft des Gastgebers präsentierte sich während der 90 Minuten spielerisch nicht erstligatauglich. Zu eintönig wurden die Bälle nach vorn gespielt, die Flügel blieben lahm. Die linke Seite wurde größtenteils übersehen, so tauchte Göransson auch im zweiten Spielabschnitt ab, wurde häufig von den eigenen Mitspielerinnen übersehen und bekam entsprechend wenig Ballkontakte. Die Feifel-Mannschaft begann viel zu spät zu kämpfen, während die Rheinländerinnen 90 Minuten lang die Zweikämpfe annahmen. Forechecking wurde erst praktiziert, als die Zeit davon lief. Auf kreative Ideen, um die kompakte Leverkusener Defensive, die bei weitem nicht unverletzlich wirkte, wirksam zu knacken, warteten die 206 Zuschauer vergebens.

Kim Kulig verkroch sich nach Spielende allein hinterm Tor

Kim Kulig verkroch sich nach Spielende allein hinterm Tor

Geradezu symbolisch war eine Szene nach dem Abpfiff, als sich Kulig enttäuscht auf den Steinsockel hinter dem Gästetor zurückzog und den Kopf in den Händen vergrub: Diese Szene hatte etwas Verzweifeltes, wirkte aber auch, als würde sich die Nationalspielerin die Verantwortung für die Niederlage allein anrechnen. Im Spiel jedenfalls hatte man den Eindruck, dass ihre Mitspielerinnen ihr die alleinige Verantwortung für den Ausgang des Spiels aufdrücken und sich selbst davon ausnehmen wollten. Eine Rolle, an der eine Spielerin, ob Nationalspielerin oder nicht, scheitern muss. So aber, ohne eine Mannschaft, die die Verantwortung auf alle Schultern verteilt und für einander und miteinander kämpft, reicht es in dieser Saison nicht für einen Platz über dem Strich.

Weitere Fotos gibt es in der Galerie von Holzbein.


Statistik

Hamburger SV: Weech – Simon, Freese, Haye, Jokuschies (76. Wübbenhorst) – Ewers (46. Zweigler), Kameraj – Göransson, Kulig, Schubert – Crnogorcevic (63. Saländer)

Bayer 04 Leverkusen: Schmitz – Knopp, Prießen, Hendrich, Mpalaskas – Stein (71. Beckmann), Elsig – Bakir (61. Dej), Thompson (90.+1 Knobloch), Steinbach – Schwab

Schiedsrichterin: Monique Klauß (Duisburg) mit Nadja Höpfner (Hamborn) und Margarete Mai (Weeze)

Zuschauer: 206

Tor: 0:1 Beckmann (3.)

Gelbe Karte: Kameraj (90.) / Mpalaskas (53.), Dej (81.), Steinbach (83.)

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