Man müsste sich dreiteilen können…

Die TorjägerVon Fuxi

Als HSV-Fan kann man sich über das gerade abgelaufene Wochenende nun wahrlich nicht beschweren: Alle drei Frauenmannschaften, die im Einsatz waren, konnten Siege feiern. Die Erste hat mit den letzten beiden späten Siegen die Scharten der unnötigen Niederlagen gegen Bad Neuenahr und Bayer Leverkusen ausgewetzt und jeweils nach Halbzeit-Rückstand Moral bewiesen. Das Team scheint zusammenzuwachsen. Das darf man gern anerkennen. Ein Grund, sich nun selbstzufrieden zurückzulehnen, ist es wahrlich nicht. Der Vorsprung auf die Abstiegsplätze ist auf sechs Punkte angewachsen. Sechs Punkte, die schnell wieder nivelliert sind. Wenn Herford kein Wunder gelingt, steht der erste Absteiger schon jetzt fest, aber der Rest streitet sich darum, nicht den zweiten Abstiegsplatz einzunehmen. Wer glaubt, sechs Punkte seien ein komfortables Polster, der sei an die Saison 2007/08 erinnert: Nach dem 9. Spieltag lag die Mannschaft auf Rang sieben und hatte sieben Punkte Vorsprung auf Abstiegsplatz 11 – am 17. Spieltag rutschte der HSV nach einem 0:1 in Wattenscheid auf eben jenen Platz elf ab und rettete sich erst durch ein Kopfballtor von Denise Lehmann im direkten Abstiegsduell mit dem 1.FC Saarbrücken am letzten Spieltag, zwanzig Minuten vor dem Abpfiff, nur durch die um zwei Tore bessere Tordifferenz. Die Mannschaft steht zum jetzigen Zeitpunkt dort, wo man es vor der Saison erwarten konnte und durfte. Das ist schön – aber kein Erfolg, der besonders zu erwähnen wäre. In 13 Spielen kann noch viel passieren.

Ganz anders liegt der Fall bei der Zweiten. Bedeutend anders! Formulieren wir es salopp: Keine Sau hätte vor der Saison einen Pfifferling darauf gewettet, dass die Truppe von Claudia von Lanken nach neun Spieltagen – immer noch – von der Tabellenspitze grüßt. Die bisher seit Jahren tonangebende Zweite von Turbine Potsdam kann nur neidisch gen Norden blicken und musste selbst erfahren, wie es ist, von dieser Bundesligareserve besiegt zu werden. Besser ist nur der SC Freiburg, der im Süden nach neun Spielen noch keinen Punktverlust hinnehmen musste. Aber woher kommt dieser Erfolg? Allein die Ursache bei Torjägerin Kathrin Patzke zu verorten, greift zu kurz. Natürlich ist die Kapitänin, die nun in den letzten 30 Spielen satte 37 Treffer erzielte, maßgeblich am Erfolg beteiligt, aber selbst eine Stürmerin, die so stark in 1-gegen-1-Situationen ist und deren Laufpensum über die gesamte Spielzeit sie beinahe bis zur Schwindsucht treibt, kann das nicht allein bewältigen. Der Erfolg hat viele Mütter. Angefangen beim Trainerduo von Lanken/Scheib: Beide haben ein Klima aus Wohlfühlatmosphäre und professioneller Ernsthaftigkeit geschaffen, in dem sich auch die Abgestellten aus der ersten Liga gut aufgehoben fühlen. Sich an sieben von neun Spieltagen an der – teils geteilten – Tabellenspitze zu befinden, ist harte Arbeit, aber in der Zweiten haben sie sogar Spaß daran, hart zu arbeiten. Jede Spielerin bekommt ihre Chance, wenn sie sich in die Mannschaft integriert. Und sich verbessert. Die Akteurinnen rufen Leistungen ab, bei denen den – leider chronisch wenigen – Zuschauern der Spiele manchmal der Mund offen stehen bleibt. Exemplarisch seien nur Nadine Moelter, Anna Hepfer und Louisa Nöhr genannt: Moelter biss sich gegen gestandene Zweitligaspielerinnen des Deutschen Meisters durch, gegen die sie in der Vorsaison noch arge Probleme gehabt hätte; Hepfer verlor letzte Saison noch in der Verbandsliga gegen die Dritte des HSV zum Auftakt 1:4; die erst 16-jährige Nöhr kam von den C-Jungs des Büdelsdorfer TSV und vorher aus dem B-Mädchen-Kader Holstein Kiels, der sich in der Norddeutschen Meisterschaft 2008 gegen den HSV (und Moelter) durchsetzte, netzte aber auch schon bei ihrem ersten Einsatz über 90 Minuten beim 2:0 in Berlin zum entscheidenden Treffer. Wie gesagt: Diese drei sollen nur exemplarisch stehen für das gesamte Team, das Woche für Woche seine Leistungsreserven abruft und mit einer Euphorie zu Werke geht, die auch auf die Tribüne überspringt.

Doch ihr steht die Dritte in der Regionalliga eigentlich in nichts nach. Gerade ist der siebte Spieltag absolviert, und beim Blick auf die Tabelle mag man Trainer Peter Schulz zurufen: Wo wollt Ihr eigentlich noch hin? Nach dem fünften Sieg im sechsten Spiel (die Partie gegen Bergedorf musste ja abgebrochen werden) treibt seine Mannschaft inzwischen auch den TSV Havelse und den Mellendorfer TV vor sich her – das kann und muss man fast so sagen. Denn wäre morgen das Nachholspiel gegen die Elstern, könnten sie mit einem Sieg an die Tabellenspitze springen! 16 Punkte hat das personell so gebeutelte Team auf dem Konto; 20 reichten letzte Saison zum Klassenerhalt, vor fünf Jahren sogar nur 17. Man erlebt unweigerlich ein Deja-vu der Vorsaison, als nach dem Aufstieg zunächst der Klassenerhalt das Ziel war und der Durchmarsch in die dritthöchste Spielklasse folgte. Nur: Weiter nach oben geht es höchstens individuell für einzelne Spielerinnen, die Mannschaft als solche hat ihren Zenit der Ligen erreicht. Fast schon schade, denn wie bei der Zweiten wachsen die Akteurinnen und auch der Trainer immer wieder über sich hinaus. Beispielhaft seien die letzten beiden Heimspiele genannt: Nach dem Unfall gegen den Lokalrivalen musste Claudia Teixeira Pinto ersetzt werden. Jasmin Wolf „zwang“ den Trainer zum Umdenken vom eigentlich geplanten 4-2-3-1 auf 4-4-2 und zeigte im Zusammenspiel mit Sturmtank Maike Timmermann gegen Jesteburg-Bendestorf die alten Stärken aus dem Aufstiegsjahr. Und was die Personalien angeht, hat Schulz beinahe Narrenfreiheit. Stuth, Lekat, Teixeira Pinto, Edvina Gara verletzt, Svenja Winter weilte zwei Monate auf Jamaika, dazu die Abgänge von Annika Rode, Cathérine Knobloch und Cindy Rak vor der Saison und immer wieder angeschlagene Spielerinnen – da sollte man meinen, irgendwann ist der Punkt erreicht, da eine Mannschaft das nicht mehr kompensieren kann. Doch immer wieder beweist die Dritte das Gegenteil. Die Mischung stimmt, und an den erfahreneren Kräften können die Talente wachsen und vor allem in die Verantwortung hineinwachsen. Nicht zuletzt ist die Schulz-Truppe auch das Integrationsteam für den Nachwuchs aus den eigenen Reihen, obwohl die Regionalliga aus dem Stand eigentlich eine hohe Hürde ist. Doch ob Fjolla Gara, Torschützin beim Auftakt in Kiel, Lysianne Poleska oder Kimberly Bühl – keine enttäuschte beim Debüt. Und auch die Lernkurve von Stammverteidigerin Denise Meinberg in ihrer ersten vollen Frauen-Saison zeigt nach oben. Die Zweitliga-Leihgaben sind ebenfalls sofort integriert. Zuletzt trieb die Geschichte noch tollere Stilblüten: Beim 3:1-Sieg in Burg Gretesch spielte Torhüterin Katrin Schwing die letzten acht Minuten im Feld, beim 5:0 gegen Delmenhorst war es Yasmine Sennewald, und die schoss auch gleich ein Tor. Wo sich andere gleich starke Keeper gegenseitig wegbeißen, kommen bei der Dritten beide gut miteinander aus. Und über allem thront ein Trainer, der als Übungsleiter ein Schleifer ist, aber nicht den Spaß verdirbt. Und das kommt an. Sein Understatement, was die Saisonziele in einer insgesamt schwachen Liga angeht, ist methodisch, aber auch authentisch. So authentisch, wie die ganze Mannschaft, die als solche nicht nur von den Toren Maike Timmermanns lebt. Und sich Woche für Woche selbst übertrifft, aber auch selbst überrascht, wie es manchmal scheint.

Nein, als HSV-Fan, vor allem aber als Torjäger, gibt es eigentlich keinen Grund zum Klagen. Oder doch, einer fällt mir ein: Die vermaledeiten Überschneidungen bei den Ansetzungen. Gerade an Tagen wie dem letzten Sonntag kann man bei jedem Spiel, das man wegen eines anderen nicht sehen kann, eigentlich nur was versäumen. Man müsste sich dreiteilen können…

Kommentar:

Maya, Eingereicht am 12.10.2010 um 13:05: Hey, Fuxi, kannst Du mir mal ne Mail schicken ? Habe Deine EMail nicht. Entweder hierrüber oder über die Seite der Deerns, Mail an Webmaster. Danke Liebe Grüße Maja

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