Am Sonntag war Derbyzeit. Im Kurparkstadion zu Bad Oldesloe empfing der FFC Oldesloe die Zweite des HSV. Für beide ging es nur noch um die Platzierung. Mit dem Abstieg hatten beide nichts mehr zu tun. Daher ließ FFC-Coach Michael Clausen auch einige Reservistinnen wie Verena Hildebrandt, Annika Knechtel oder Sandra Runge. Die einzigen Konstanten waren Torfrau Friederike Wiener, Innenverteidigerin Svenja Fritz, die Mittelfeldakteurinnen Claudia Wenzel und Kristin Engel sowie Stürmerin Gaitana Lippert. Der HSV hingegen hatte sich Platz fünf und den Gewinn der Torjäger-Wertung für Kathrin Patzke zum Ziel gesetzt, lief daher auch in Bestbesetzung auf. Doch ein Handicap hatten die Rothosen: Nur 40 Stunden zuvor waren sie noch in Leipzig auf dem Rasen gewesen und hatten eine wahre Ochsentour hinter sich. Das verbesserte die Chancen der Gastgeberinnen, ihren ersten Sieg gegen den HSV einzufahren.
So war es wenig verwunderlich, dass die frischer wirkenden Oldesloerinnen den besseren Start erwischten. Von Beginn an setzte der FFC den HSV unter Druck und entwickelte schnell Chancen. Die erste hatte Wenzel, die aus 23 Metern mit links verzog (7.). Eine Minute später vernaschte Kristina Kucharski Henrike Meiforth im Strafraum und schloss mit links ab. Weber war bereits geschlagen, aber Teamkollegin Daniela Schacher hatte den richtigen Weg eingeschlagen und klärte vor der Linie. Man sah deutlich, dass die Hamburgerinnen den Leipzig-Trip noch in den Knochen hatten. Mit diesen schweren Beinen kamen sie nur mühsam ins Spiel. Nach Freistoß von Angelina Lübcke von der linken Grundlinie köpfte Johanna Borkowski rechts vorbei. Zwei Minuten darauf kam Denise Lehmann nach Lübcke-Ecke zum Kopfball, der aber zu schwach war und von Wiener locker aufgenommen werden konnte (18.). Und wieder nur zwei Minuten später marschierte Patzke solo über links in den Strafraum, verpasste aber den Abschluss, und Wiener warf sich ihr erfolgreich vor die Füße.
Aus dem Spiel heraus gelang dem HSV wenig. Torgefahr entstand meist durch Standards. Die Hanseatinnen wurden aber nach verschlafenem Beginn besser und übernahmen die Initiative. Durch einen Ballverlust liefen sie in der 26. Minute jedoch in einen gefährlichen Konter. Wenzel nahm einen schlampigen Fehlpass von Lehmann auf und leitete ihn nach links zu Lippert. In einer 1-gegen-1-Situation ging die an Meiforth vorbei und passte rechts raus auf die mitgelaufene Kristin Engel. Deren Flachschuss konnte Weber aber per Fußabwehr am Überschreiten der Torlinie hindern. Oldesloe hatte bisher die gefährlicheren Tormöglichkeiten. Dennoch fiel das Tor auf der Gegenseite, und es war eine Einzelleistung, eine Demonstration individueller Klasse, gepaart mit Selbstbewusstsein, einem Schuss Frechheit – und einem kleinen Makel. Lübcke lupfte den Ball links in den Strafraum, wo ihn Patzke erlief. Sie zögerte mit dem Schuss, dribbelte gegen zwei und ging nach halbrechts auch an Wiener vorbei. Die Schussbahn wurde ihr jedoch verstellt, also ging sie wieder zurück zur Mitte. Wiener war liegend am Ball, aber Patzke blieb in Ballbesitz, dribbelte weiter und schoss dann doch vom Elfmeterpunkt aus der Drehung. Der Rettungsversuch von Fritz auf der Linie war erfolglos, und es hieß 0:1 nach 28 Minuten. Ein Hauch von Jay-Jay Okocha wehte durch den Kurpark… Wäre da nicht dieser eine Mangel gewesen, denn das Tor hätte nicht zählen dürfen! Bei ihrer Rettungsaktion hatte Wiener, wie die Torschützin nach dem Spiel selbst bekannte, beide Hände fest am Ball. Das sah das Schiedsrichtergespann in dieser immerhin unübersichtlichen Situation nicht so, und daher erkannte die Gladbecker Spielleiterin Kathrin Heimann den Treffer an. Unglücklich für Oldesloe.
Oldesloe musste diesen Schock erstmal verdauen. Acht Minuten später leitete Angelina Lübcke die nächste HSV-Chance ein. Halbhoch schlug sie den Ball nach vorn, und Jobina Lahr verlängerte halblinks per Kopf auf Patzke. Wieder dribbelte sie an der Strafraumgrenze an zwei Oldesloerinnen vorbei zur Mitte und schoss dann trocken aus 15 Metern unten links unhaltbar zum 0:2 ein (36.). So geht’s, wenn’s läuft – in dieser Saison trifft Patzke fast, wie sie will, und sie ist ein großer Garant für den Klassenerhalt der Rothosen. In der Folge war der HSV nun klar überlegen, gewann die wichtigen Zweikämpfe und ließ in der Defensive fast nichts mehr anbrennen. Statt dessen spielten sie schnell nach vorn, auf der Suche nach dem dritten Tor. Oldesloe bekam noch eine Chance in der Nachspielzeit, als Engel einen Freistoß aus 27 Metern knapp am langen Pfosten vorbei schlenzte.
Nach den Spielanteilen war die Führung des HSV nicht ganz unverdient, wenn auch gemessen an den großen Tormöglichkeiten eher glücklich. Die Hansestädterinnen steigerten sich nach müdem Beginn und lebten von Patzkes 24. und 25. Saisontoren. Sie machte den größten Teil des Unterschieds aus, wurde aber beide Male auch exzellent in Szene gesetzt. Oldesloe konnte seinen starken Start nicht konservieren, verlor nach einer Viertelstunde den Angriffswirbel. Dort lauerten Lippert und Kucharski, aber die Bälle in die Spitze kamen nun zu ungenau oder der HSV packte konsequenter zu.
Zum zweiten Spielabschnitt wechselte Michael Clausen aus. Mit Ronja Pajonk und die von der deutschen U16 gesichtete Madeline Gieseler kamen zwei Jungspunde anstelle von Michelle von Appen und Kristina Kucharski. Der HSV kam unverändert aus der Kabine. Und die zweite Halbzeit begann, wie die erste aufhörte: Mit einem Freistoß von Engel. Die zog ihn vom linken Flügel direkt aufs Tor, aber Weber war aufmerksam und entschärfte den Schuss (50.). Es blieb dabei: Der HSV war zweikampfstärker, und Oldesloe fehlte die Genauigkeit. Die Rothosen beschränkten sich in dieser Phase auf sicheres Stehen, brachten wenig Kreatives zustande. Wenn etwas ging, dann über Patzke. In der 64. Minute wurde die halblinks angespielt, dribbelte an Fritz vorbei und ging von halblinks aufs Tor zu. Am Fünfmeterraum versuchte sie, Wiener mit einem ansatzlosen Außenrist-Schuss aus dem Fußgelenk zu überwinden, die aber war schnell genug unten und hielt.
Nach 70 Minuten zog Clausen seinen letzten Joker: Er brachte Johanna Wöhler als frische Gegenspielerin für Patzke anstelle von Ex-HSVerin Mirja Herrmann. Eine Minute später bediente Fritz Engel mit einem langen Diagonalpass hinter die Abwehr. Dort hatte sich Oldesloes Beste, Kristin Engel, freigestohlen, zog vom Flügel zur Mitte an Borkowski vorbei und schoss frei vor Weber rechts neben das Tor. Glück für den HSV. Und trotzdem hatten viele Zuschauer nicht das Gefühl, dass die Hanseatinnen hier noch etwas anbrennen ließen. Im Gegenteil: Sie schienen es locker runterzuspielen und begnügten sich mit wenigen Chancen. Nach Ecke von Lübcke köpfte Lehmann links vorbei (75.). Dann schickte Wolfgramm Lahr steil hinter die Abwehr, deren Linksschuss konnte Wiener parieren (77.).
Jetzt wechselte auch Claudia von Lanken, brachte für Daniela Schacher Cathérine Knobloch für die linke Abwehrseite als Gegenpol für Pajonk. Bis zur 89. Minute passierte dann auch nichts mehr. Dann ließ Lehmann Lippert vom rechten Flügel flanken. Im Kopfballduell mit Gieseler fiel der Ball von Meiforth vor die Füße der heranrauschenden Engel. Mit einem satten Volleyschuss aus 18 Metern, einem echten Sonntagsschuss hoch links ins Eck überwand sie Weber unhaltbar zum 1:2-Anschlusstreffer. Sie krönte damit ihre starke Leistung, mit der sie sich definitiv für höhere Aufgaben empfahl. Ob sie eine Antwort auf die Frage nach echten Flügelspielerinnen in der HSV-Erstligamannschaft sein könnte?
Eine Antwort auf den Anschluss hatte der HSV jedoch mit der letzten Chance in der Nachspielzeit noch parat. Die ansonsten unauffällige Fata Salkunic schickte Patzke halbrechts aus abseitsverdächtiger Position auf die Reise. Frei vor Wiener probierte es sie mit einem Schlenzer, den die Schlussfrau abwehren konnte. Der Abpraller fiel ihr wieder vor die Füße, mit links wollte sie verwandeln, aber dieses Mal gelang die Rettungstat von Fritz, die das 1:3 und das 26. Saisontor von Patzke vereitelte. Es blieb beim 1:2. Insgesamt war die zweite Halbzeit schwächer, hatte mehr Längen und weniger Klasse. Oldesloe war bemüht, den Rückstand zu verkürzen, belohnte sich aber zu spät selbst. Der HSV hingegen schaltete zu früh auf Ergebnisverwaltung, auch wenn ihnen erkennbar der Saft ausging. Unter dem Strich ist der Sieg aber durchaus verdient. Den Unterschied machte Kathrin Patzke aus, die sich nach dem Schlusspfiff noch über die letzte vergebene Chance ärgerte. Immerhin könnte die in der Endabrechnung um die inoffizielle Torjägerkrone fehlen.
Statistik:
FFC Oldesloe 2000: Friederike Wiener – Annika Knechtel, Verena Hildebrandt, Svenja Fritz, Mirja Herrmann (70. Johanna Wöhler) – Michelle von Appen (46. Ronja Pajonk), Claudia Wenzel, Sandra Runge, Kristin Engel – Gaitana Lippert, Kristina Kucharski (46. Madeline Gieseler)
Hamburger SV II.: Jennifer Weber – Daniela Schacher (78. Cathérine Knobloch), Denise Lehmann, Henrike Meiforth, Vera Homp – Jobina Lahr, Angelina Lübcke, Johanna Borkowski, Carina Wolfgramm – Kathrin Patzke, Fata Salkunic
Schiedsrichterin: Kathrin Heimann (Gladbeck) mit Kerstin Dietrich (Duisburg) und Regina Heim (Olpe)
Zuschauer: 180
Tore: 0:1 Patzke (28.), 0:2 Patzke (36.), 1:2 Engel (89.)
Gelbe Karten: Borkowski (HSV II., 85. Minute, Trikotziehen)