Dritte steht mit elf Beinen in der Regionalliga

Maike Timmermann trifft den Pfosten

Maike Timmermann trifft den Pfosten

Die dritte Frauenmannschaft des HSV hat den ersten großen Schritt Richtung Regionalliga gemacht: Sie siegte beim Bremer Meister SV Werder Bremen II. und hat die Entscheidung über den Aufstieg in die dritthöchste Spielklasse am kommenden Sonntag gegen den FFC Oldesloe II. in der eigenen Hand.

Der HSV überreichte dem Gastgeber zu Spielbeginn diesen Wimpel

Der HSV überreichte dem Gastgeber zu Spielbeginn diesen Wimpel

Es war die 23. und damit vorletzte Etappe auf dem Weg in die Regionalliga, aber auch eine der wichtigsten. In der Aufstiegsrunde ging es zum Bremer Vertreter SV Werder Bremen II. Der SV hatte sein Meisterstück ungeschlagen mit 113:8 Toren gemacht, aber nur drei Punkte vor dem Verfolger ATS Buntentor. Das sprach nicht gerade für einen starken Gegner. Der HSV begegnete ihnen trotzdem respektvoll. Peter Schulz hatte sich im Urlaub in der Türkei nach langem Grübeln für einen Personal- und Systemwechsel entschieden. Statt des üblichen 4-4-2 bot er nun ein 4-2-3-1 auf. So brachte er unter anderem Melanie Nilsson und Nadine Moelter-Cohrs ins Team. Draußen blieben einige, die den Hamburger Titel holten: Darunter Tanja Thormählen, Cindy Rak, Jasmin Wolf und Paula Ziselsberger. Mit „Bauchgefühl“ begründete der Trainer diese Maßnahme. Werder II. begegnete dem HSV mit einem identischen System und drei Spielerinnen aus der ersten Mannschaft: Katharina Haar, Ann-Christin Bopp und Stephanie Schröder.

Melanie Nilssons Freistoß verfehlt das Tor

Melanie Nilssons Freistoß verfehlt das Tor

Der Gastgeber begann auch etwas besser, aber der HSV hatte die erste Chance des Spiels. In der 7. Minute ging ein Freistoß von Melanie Nilsson aus 25 Metern über das Tor. Fünf Minuten später dribbelte sie halblinks in den Strafraum, spielte Innenverteidigerin Sonja Päs aus, schlenzte dann aber aus acht Metern am langen Eck vorbei (12.). Der HSV bestimmte die Partie, hatte mehr Spielanteile und ließ in der Defensive nichts anbrennen. Nach vorn hatten sie mehr Mühe, kamen trotzdem zu Chancen. In der 21. Minute schlug Pajtesa Kameraj den Ball aus der eigenen Hälfte, Rabea Garbers verlängerte mit der Fußspitze in den Lauf von Maike Timmermann, die sich im Laufduell mit Charline Ulbrich durchsetzte und das Leder unter der Torhüterin Ilka Brokamp hindurch spitzelte. Aber sie traf nur den Pfosten. Was auch sonst? Ein kurioses Jubiläum war im Anmarsch. Derweil bestand Werders Gegenwehr in langen Bällen, die die HSV-Verteidigung leicht abfangen konnte.

Nilssons Schlenzer geht knapp am Tor vorbei

Nilssons Schlenzer geht knapp am Tor vorbei

Nach einer halben Stunde erarbeitete sich der HSV, dessen Kreativabteilung zu selten Konstruktives produzierte, die nächste Torchance. Einen Knobloch-Einwurf ließ Timmermann zu Lara Wolff prallen. Deren Abschluss aus 13 Metern war aber kein Problem für Brokamp. Von Werder war bis dahin nichts zu sehen. Dann kam Katharina Haar in der 41. Minute nach einem Fehlpass aus der HSV-Abwehr in Ballbesitz und spielte ihn hinter die Abwehr auf Jana Beling. Die einzige nominelle Bremer Spitze war schneller als Verfolgerin Svenja Winter und schob den Ball an Yasmine Sennewald, die noch mit der Fingerspitze dran war, vorbei ins lange Eck – 1:0! Unfassbar! Der HSV war bis dato die bessere Mannschaft gewesen, verwandelte zwei Großchancen nicht und schenkte Werder kurz vor der Pause das Tor. Der Schreck saß. Die letzte Chance vor dem Seitenwechsel hatten nochmal die Rothosen. Knobloch warf zu Timmermann ein. Die spielte vor das Tor auf Nilsson, doch deren Schuss aus der Drehung wurde abgeblockt, den Nachschuss fälschte ein Abwehrbein über das Tor ab (45.). Es ging mit einem Rückstand zum Pausentee.

Pajtesa Kameraj schickt die startende Rabea Garbers über rechts

Pajtesa Kameraj schickt die startende Rabea Garbers über rechts

Die Bremer Führung war dem Spielverlauf nach schmeichelhaft und aus HSV-Sicht absolut unnötig. Die Rothosen hatten Probleme im Spiel nach vorn, nutzten die wenigen Chancen nicht aus. Auch die Laufarbeit im Mittelfeld passte nicht. Vor allem Begunk und Nilsson schalten bei Bremer Ballbesitz eher ab. Zudem lief der HSV in der Vorwärtsbewegung oft ins Abseits. Auch dadurch entwickelten sie zu wenig Zug zum Tor, und es mangelte an klaren Aktionen. Dessen ungeachtet hatten sie die Werderanerinnen eigentlich im Griff. Das 1:0 für die Bremer fiel glücklich und unverdient, war aber Folge von Nachlässigkeiten in der Defensivarbeit des Mittelfeldes, das durch Nichtanspielbarkeit den Fehlpass provozierte.

Nadine Odzakovic und Sarah Begunk stoppen Asiye Demirtas

Nadine Odzakovic und Sarah Begunk stoppen Asiye Demirtas

Zur zweiten Hälfte stellte Schulz sein System auf das gewohnte 4-4-2 um und brachte mit Jasmin Wolf für die insgesamt erschreckend schwache, desinteressiert wirkende Melanie Nilsson nicht nur eine echte zweite Spitze, sondern auch Timmermanns etatmäßige Sturmkollegin. Doch wieder hatte Werder den besseren Start, kam mit Druck und Tempo aus der Kabine, um überfallartig das zweite Tor vorzulegen. Der HSV wackelte gehörig, fiel aber nicht und ließ keine klare Torchance der Gastgeberinnen zu. Die Umstellung auf zwei Spitzen verpuffte zunächst wirkungslos. Ein schwacher 20-Meter-Schuss durch Begunk war der Ertrag bis zur 56. Minute. Schulz reagierte, brachte mit Paula Ziselsberger für Lara Wolff eine neue Spielerin, die den rechten Flügel übernahm, Garbers rückte nach links. Ein Tausch, der wegen der Ausgewechselten unter den Mitgereisten auf der Tribüne durchaus für gehobene Augenbrauen sorgte. Eher wurden Begunk oder Garbers erwartet.

Erleichtert bejubelt das Team das irre Weitschusstor von Cathérine Knobloch

Erleichtert bejubelt das Team das irre Weitschusstor von Cathérine Knobloch

Zwei Minuten später warf Nadine Odzakovic, die immer wieder verbal anzutreiben versuchte und in dieser Phase beinahe einzige Hamburgerin war, die auch bei Einwürfen aufs Tempo drückte, auf Begunk ein, die das Leder in die Mitte zu Cathérine Knobloch leitete. Die 24-jährige Außenverteidigerin nahm den Ball an, zog einfach aus 40 (!) Metern ab, und das Leder flog über die zu weit vor ihrem Kasten postierte Brokamp hinweg – ins Tor! Ein irrer Treffer von Knobloch! Und plötzlich war der HSV da. Nur zwei Minuten später bekam Ziselsberger rechts den Ball, ging in den Sechzehner und passte kurz zurück. Timmermann schoss aus der Drehung, aber wieder stand eine Bremerin im Weg und fälschte ab. Am zweiten Pfosten rauschte Wolf heran, ihr Schuss aus vier Metern wurde jedoch pariert. Den Nachschuss setzte Garbers drüber. Sie setzten wieder nach. 63. Minute, Begunk flankte einen Freistoß von halbrechts herein. Eine Abwehrspielerin verlängerte in hohem Bogen nach hinten, wo Ziselsberger das Leder per Stirn aufs kurze Eck beförderte, und wieder sah Brokamp nicht gut aus – 1:2 (63.)! Binnen vier Minuten hatten sie es gedreht.

Kameraj stoppt Daniela Adam auf Kosten eines Eckballs

Kameraj stoppt Daniela Adam auf Kosten eines Eckballs

Werder versuchte zu antworten, aber der HSV war nun deutlich bissiger, ließ nichts zu und schaltete schneller um. Beide Coaches wechselten. Beim HSV ersetzte Annika Rode die Kunstschützin Knobloch, und Garbers ging hinter Rode in die linke Außenverteidigung. Bremen brachte Katharina Aulich für Asiye Demirtas. Aber die Hamburgerinnen ließen sich nicht die Butter vom Brot nehmen. 73. Minute: Rode passte kurz zu Begunk. Nach Zehn-Meter-Antritt lupfte die hinter die Abwehr auf Wolf, und gegen deren Heber ins lange Eck hatte Brokamp keine Abwehrmöglichkeit – 1:3! Die Vorentscheidung?

Maike Timmermann leitet einen Konterversuch ein

Maike Timmermann leitet einen Konterversuch ein

HSV-Coach Schulz trieb sein Team weiter an. Zwei Minuten darauf kam eine Hereingabe von Odzakovic an den Strafraum, Timmermann ließ das Leder nur abtropfen, denn Kameraj war unvermittelt am Gastgeber-Strafraum aufgetaucht und versenkte locker unten rechts zum 1:4 (75.). Ungläubiges Staunen auf der Tribüne. In der 77. Minute wurde ein harmloser Begunk-Freistoß sichere Beute von Brokamp. Nur 60 Sekunden später erlief Wolf einen Rückpass von Bopp vor Brokamp und bediente nach einer kurzen Drehung Timmermann. Die versuchte es aus 18 Metern, aber Ulbrich rettete für ihre geschlagene Keeperin vor der Linie. Wenig später war ein Versuch von Moelter-Cohrs aus 30 Metern etwas zu kurz und sichere Beute für Brokamp.

Ann-Christin Bopp holt Kameraj von den Beinen. Hierfür hätte sie Gelb-Rot sehen können.

Ann-Christin Bopp holt Kameraj von den Beinen. Hierfür hätte sie Gelb-Rot sehen können.

Noch in der gleichen Minute schickte Odzakovic links Wolf. Die versetzte an der Grundlinie Ulbrich, zog nach innen und schlenzte aus spitzem Winkel aufs lange Eck – wieder Pfosten! Brokamp sicherte sich dann den Abpraller. Damit war aber auch das „Jubiläum“ geschafft: 50 Pfosten- und Lattentreffer in 23 Spielen… Bei Werder kam nun Nathalie Martens für Charline Ulbrich, nachdem zuvor schon Lara Möhlmann, Tochter des ehemaligen Trainers von HSV und Bremen, im Anschluss an das 1:4 hereingenommen worden war. Der HSV ließ keineswegs nach. Sie fighteten weiter. Werder Bremen II. kam kaum aus der eigenen Hälfte. Die Rothosen blieben am Drücker, mit Druck, Wille und Spielwitz. In der 86. Minute kassierte Sonja Päs eine Gelbe Karte nach Foul an Odzakovic. Den anschließenden Freistoß aus 23 Metern zirkelte Begunk an der Mauer vorbei aufs kurze Eck, Brokamp lenkte den Schuss an den Innenpfosten – Nummer 51 -, und von dort fiel der Ball hinter der Linie ins Netz. 1:5!

Ilka Brokamp lenkt Begunks Freistoß an den Innenpfosten, 1:5

Ilka Brokamp lenkt Begunks Freistoß an den Innenpfosten, 1:5

Es war die letzte Szene in einem verrückten Spiel. Der HSV gewann hochverdient mit 5:1, bedenkt man vor allem, dass Werder nur eine echte Torchance im ganzen Spiel hatte. Nach dem kuriosen Ausgleich zum 1:1 brannten sie ein Feuerwerk ab. Die Werderanerinnen konnten sich nach dem verpufften Start in die zweite Halbzeit dann kaum behaupten, fanden nach dem 1:2 kein Mittel gegen einen nun merklich konsequenteren Hamburger Club, den Peter Schulz weiter nach vorn trieb. Phasenweise kombinierte der HSV nach Belieben, setzte verlorenen Bällen druckvoll nach und zwang die Gastgeberinnen zu Fehlern. Das Experiment der ersten Hälfte konnte nur als gescheitert betrachtet werden. Vor allem die schnellen und laufstarken Jasmin Wolf und Paula Ziselsberger brachten die Wende gegen zunehmend müder werdende Bremerinnen. Mit einem Sieg am Sonntag gegen Oldesloe II. kann der HSV III. den Aufstieg eintüten.

Team und Trainer bejubeln mit den Mitgereisten den Sieg

Team und Trainer bejubeln mit den Mitgereisten den Sieg


Statistik:
SV Werder Bremen II.: Ilka Brokamp – Daniela Adam (75. Lara Möhlmann), Stephanie Schröder, Sonja Päs, Charline Ulbrich (84. Nathalie Martens) – Ann-Christin Bopp, Mirja Krämer – Katharina Haar, Asiye Demirtas, Corina Menke – Jana Beling

Hamburger SV III.: Yasmine Sennewald – Cathérine Knobloch (71. Annika Rode), Nadine Moelter-Cohrs, Svenja Winter, Pajtesa Kameraj – Sarah Begunk, Nadine Odzakovic – Lara Wolff (57. Paula Ziselsberger), Melanie Nilsson (46. Jasmin Wolf), Rabea Garbers – Maike Timmermann

Schiedsrichterin: Sandra Höllmann (Nordhorn)

Zuschauer: 272

Tore: 1:0 Beling (41.), 1:1 Knobloch (59.), 1:2 Ziselsberger (63.), 1:3 Wolf (73.), 1:4 Kameraj (75.), 1:5 Begunk (86., Freistoß)

Gelbe Karten: Bopp (Werder Bremen II., 43. Minute, Textilvergehen), Päs (Werder Bremen II., 85. Minute, Foulspiel)

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