Kantersieg im Derby 1.1

Doppeltorschützin Paula Ziselsberger vor Amely Jaekel

Doppeltorschützin Paula Ziselsberger vor Amely Jaekel

Am Mittwochabend nahm das Hamburger Derby zwischen den Regionalligisten HSV III. und Bergedorf 85 seinen zweiten Anlauf. Und es schien fast, als müsse sich der Ansetzer wieder einen neuen Termin suchen, denn Schiedsrichterin Janine Kulow weigerte sich aus verschiedenen Gründen, die Partie auf Platz 3 der Paul-Hauenschild-Anlage anzupfeifen, ließ Spielerinnen, Offizielle und Zuschauer fast eine halbe Stunde lang im Nieselregen frieren – zunehmend kopfschüttelnd.

Offiziell ging es darum, den Formalien ausreichend Geltung zu verschaffen – wahrscheinlich aber auch sich selbst. So verlangte sie, dass der Geschäftsstellen-Container während des Spiels die gesamte Zeit über besetzt und offen sein müsse (Zitat: „Ich muss da jederzeit rein können!“), und darüber hinaus war aus Sicht von Frau Kulow wohl eine genauere Prüfung der Bergedorfer Aufstellung zu vollziehen, da diese die Spielerpässe nicht dabei hatten – in der Regionalliga in Zeiten der Online-Spielberechtigungsliste eine Formalie, die nach Vermerken im Spielbericht eine Geldstrafe nach sich zieht, aber wohl kaum eine deutliche Verschiebung des Anpfiffs nach sich zog. Immerhin sollte auf diesem Platz gespielt werden, auch wenn Bergedorf 85 nicht mit den Lichtverhältnissen einverstanden war (der „Torjäger“-Fotograf ebenso wenig…). So zog es sich hin, bis endlich mit 27 Minuten Verspätung der Anpfiff erfolgte – nachdem es dem Gespann gelungen war, die in der Kabine vergessenen Fahnen zu holen. Man konnte schon verstehen, warum auf Bergedorfer Seite Ressentiments gegen die Ex-Regionalliga-Fußballerin bestanden, immerhin hatte sie dem Vernehmen nach beim Spiel der Elstern gegen Burg Gretesch in der 90. Minute einen wohl völlig unberechtigten Elfmeter gegen „85“ verhängt, der die Gäste einen Punkt kostete. Und zweifellos hatte sie auch an diesem Abend eine ganz eigene Sicht auf die Zweikämpfe.

Der HSV hatte die Verzögerung definitiv besser verdaut. Das wurde schon in der zweiten Minute klar. Maike Timmermann wurde links steil auf dem Flügel geschickt und passte auf Strafraumhöhe in die Mitte. Paula Ziselsberger war in die Mitte eingerückt, war vor der herausstürzenden Bergedorfer Keeperin Jasmin Hadrous am Ball und spitzelte Richtung Tor. Von Hadrous prallte der Ball zurück, Ziselsberger rappelte sich am schnellsten wieder auf, und nach 91 Sekunden lag der Ball im Tor. Es war ein Start nach Maß, der die Rothosen beflügelte. In der 5. Minute wehrte Bergedorf einen Eckball von Nadine Odzakovic zur Seite ab, so dass die Mittelfeldspielerin erneut flanken konnte. Der Ball flog an Freund und Feind vorbei und klatschte aus spitzem Winkel an den Pfosten.

Svenja Winter sorgt für klare Verhältnisse

Svenja Winter sorgt für klare Verhältnisse

Die Gäste kamen nach einer knappen Viertelstunde besser in die Partie und konnten sich etwas vom Druck der bissigen HSVerinnen befreien. Nurdan Üstün spielte den Ball aus der Zentrale an den Strafraum, Cindy Pohlmann nahm ihn an, dribbelte Vera Homp aus und schlenzte von der Strafraumgrenze gute fünf Meter am Tor vorbei (13.). Sechzig Sekunden später wehrte Carolin Schimmel einen zu kurzen Abstoß von Saskia Schippmann per Kopf nach vorn ab, Maria Albrecht erlief das Leder, schoss aber klar rechts daneben. Abgesehen von dieser Szene hatte die Abwehr der Rothosen den Gästesturm – anders als im ersten Versuch – weitgehend im Griff. Nach vorn präsentierte sich das Team von Peter Schulz spritziger. Timmermann erhielt den Ball und spielte sofort weiter in die Gasse. Odzakovic startete durch zwei unentschlossenen Abwehrspielerinnen durch und schoss links unten zum 2:0 ein (16.). Selbst Schulz konnte kaum glauben, dass seine Mannschaft nach etwas mehr als einer Viertelstunde schon mit zwei Toren vorne lag. Und fast hätte es eine Minute später 3:0 gestanden, aber Hadrous parierte Timmermanns Schuss aus 16 Metern nach einem Fehler von Sibel Exposito im Nachfassen.

In der Folge verlor die Partie einen Tick an Tempo. Bergedorf stellte sich defensiv besser auf den Aufsteiger ein, der nun etwas an Genauigkeit im Passspiel und Übersicht einbüßte, nicht aber sein Engagement zurückschraubte. Nach vorn ging bei den Elstern auch nicht mehr. Erst in der 31. Minute gab es wieder Nennenswertes – das allerdings umso mehr. Fünfundzwanzig Meter vor dem Tor legte Kathrin Miotke, die weniger torgefährlich als mannschaftsdienlich agierte, für Ziselsberger ab. Die probierte es einfach mal direkt, zog den Ball mittig hoch aufs Tor und brachte Hadrous damit in Schwierigkeiten. Die Keeperin war zwar noch mit den Fingerspitzen am Ball, konnte ihn jedoch nur noch an die Unterkante der Latte lenken, von wo er zum 3:0 über die Linie sprang – ein tolles Tor der Mittelfeldspielerin, und schon ihr zweites im Spiel. Der HSV war die klar überlegene Mannschaft. Nach 32 Minuten brannte es wieder im Strafraum der Elstern. Diesesmal hob Miotke ein Anspiel direkt über die Abwehr in den Lauf von Timmermann, die das Leder aber nicht an Hadrous vorbei brachte. Dann prüfte Miotke nach einer Hereingabe von Ziselsberger an den Strafraum die 85-Torhüterin mit einem Schlenzer, die aber reagierte prima und wehrte ab (36.).

Maria Albrecht im Kopfballduell mit Denise Meinberg

Maria Albrecht im Kopfballduell mit Denise Meinberg

Drei Minuten darauf hatte Bergedorf eine der seltenen Chancen. Ein Freistoß aus dem rechten Halbfeld wurde abgewehrt, und aus gut 40 Metern probierte es Sanja Albrecht mit einem Schuss, der den rechten oberen Torwinkel recht knapp verfehlte. Insgesamt aber war auch das eher ein Beweis für die Harmlosigkeit der Gäste, die sich nur selten bis zum Strafraum durchsetzen konnten und sich stattdessen häufig an den – zugegebenermaßen – recht verwirrend anmutenden Entscheidungen der Schiedsrichterin aufrieben. Denn die Häufigkeit, mit der bei durchaus spielunterbrechungswürdige Aktionen der Platzherrinnen weitergespielt wurde, war schon auffällig. Aber wenn man sich mehr auf die Schiedsrichterin konzentriert als auf das Spiel, rächt sich das, wie auch der HSV am Sonntag gegen Oythe erfahren musste. In Minute 42 brachte ein Gegenangriff des HSV über drei Stationen das vierte Tor: Homp schickte Timmermann mit einem langen Pass aus der eigenen Hälfte über den rechten Flügel. Die Stürmerin setzte sich im Zweikampf durch und passte im Strafraum in die Mitte. Genau dorthin, wo Linksverteidigerin Tanja Thormählen mit dem richtigen Riecher unter dem Bergedorfer Radar nachgerückt war und nun zum Halbzeitstand den Fuß hinhielt.

Bergedorf, das als eines der seltenen Teams der Republik hinten mit Dreier-Abwehr und Manndeckung agierte, bot den Rothosen zu viele Räume, weil sie sich nicht einfach hinten rein stellten, sondern trotz des frühen Rückstands mitzuspielen versuchten. Der HSV nutzte das vor allem körperbetont aus, aber auch mit Spielfreude in der Offensive, ließ beinahe schulmäßig Ball und Gegner laufen – kein Vergleich mit dem Auftritt vom Sonntag. Das schnelle Spiel brachte einiges an Torgefahr, und dieses Mal nutzten sie auch ihre Chancen gegen die durchaus wehrhafte Mannschaft von den Sander Tannen, die in der Pause doppelt wechselte: Sarah Scheerer und Ex-HSVerin Wiebke Korthals kamen herein, dafür mussten Cindy Pohlmann und Sabine Grelck draußen bleiben. Nominell waren die Ausgewechselten durchaus bemerkenswert. Auch der HSV tauschte in der Pause aus, für Lara Wolff, die am Wochenende noch verletzt fehlte, kam nun Rabea Garbers.

Der Ball rollte keine zwei Minuten wieder, da war der nächste Wechsel an der Reihe, allerdings unfreiwillig: Kathrin Miotke hatte sich ohne gegnerische Einwirkung einen Muskelfaserriss zugezogen, der für sie das Spieljahr 2010 beendete. Von der Bank wurde die inzwischen eingetroffene Pajtesa Kameraj quasi „kalt“ in die Partie geworfen (48.). Spielerisch ging die zweite Hälfte so weiter, wie die erste endete. Allerdings war der HSV jetzt nicht mehr ganz so engagiert bei der Sache und ließ die Gäste mehr Spielanteile bekommen. Auch schienen die beiden Wechsel und folgenden Umstellungen sich negativ auf die Torgefahr und Spiellust auszuwirken. In der 55. Minute köpfte Timmermann nach einer Ecke von Odzakovic vom ersten Pfosten links vorbei. Drei Minuten später brachten die Elstern den Ball nicht aus der Gefahrenzone, und Hadrous musste in höchster Not gegen Timmermann und Garbers retten. Auf der anderen Seite verhinderte Odzakovic den Ehrentreffer, als sie einen gefährlichen Kopfball von Exposito im Nachgang einer Üstün-Ecke neben den Pfosten ins Toraus lenkte (59.).

Thormählen rutscht auf nassem Rasen an Wiebke Korthals vorbei

Thormählen rutscht auf nassem Rasen an Wiebke Korthals vorbei

Bergedorf zog den letzten Joker, brachte Defensivspielerin Jasmin Witting – ebenfalls ein ehemaliges HSV-Küken – für Sanja Albrecht. Allerdings bekam Witting, kaum auf dem Feld, den Gelben Karton vorgehalten, weil sie sich nicht korrekt beim Assistenten angemeldet hatte, und für die protestierenden Trainer Mato Mitrovic und Marco Strauer gab es von Schiedsrichterin Kulow deutliche Worte (60.). Die 85erinnen wollten trotzdem weiter ihr Tor. Und fast hätte es auch geklappt. Schimmel schlug einen langen Ball an den Strafraum, wo sich Maria Albrecht im Duell mit Thormählen durchsetzte und im Fallen mit links aus 17 Metern knapp rechts vorbei zielte (63.). Auf der anderen Seite kam ein Einwurf rechts auf Timmermann, und nach deren Querpass schoss Kameraj links neben den Pfosten. Auch an der nächsten Szene war die Schwester der Bundesligaspielerin beteiligt. Ihren Lupfer in die Spitze bugsierte Timmermann mit viel Akrobatik rechts am Tor vorbei (66.).

Nach 68 Minuten kam Bergedorf fast mit einer Kopie der vorherigen Chance zu einer Möglichkeit. Erneut landete ein Heber von Schimmel bei Albrecht hinter der Abwehr, doch Schippmann, die im Laufe des Spiels immer sicherer wurde, war draußen und blockte mit den Füßen. Der HSV zog den letzten Joker, und der war bemerkenswert: Claudia Teixeira Pinto kam für Vera Homp herein. Und die 17-Jährige zeigte auch gleich, dass sie die Geschehnisse vom 12. September gut verdaut hatte, war sofort unerschrocken präsent. An der nächsten Torszene war sie zwar noch nicht beteiligt, als Timmermann rechts steil geschickt wurde und Hadrous mit einem strammen Schuss aus zwölf Metern zu einer sehenswerten Parade zwang (71.). Nach einer unnötigen Gelben Karte für Nadine Odzakovic war die portugiesische U19-Nationalspielerin aber da. In der 75. Minute umkurvte sie Hadrous und schob mit links souverän zum 5:0 ins Tor.

Harmloser Schuss von Gesa Ehlers

Harmloser Schuss von Gesa Ehlers

Weiter kam der HSV. Nach Eckball Odzakovic schädelte Vanessa Hamed rechts vorbei (78.). Aber das halbe Dutzend sollte doch noch voll werden. Nach Vorarbeit von Pinto traf Odzakovic per Distanzschuss flach rechts zum 6:0 (80.). Beide Teams hatten in der Schlussphase noch eine Chance. Doch zuvor bekamen die beiden „Elfer“, Thormählen und Albrecht, nach einer Rangelei eine Verwarnung per gelbfarbenem Plastikkärtchen ausgesprochen. Die letzte Gelegenheit der Gäste wäre einen Ehrentreffer wert gewesen, als Gesa Ehlers nach Freistoß von Korthals volley rechts verzog (84.). In der Schlussminute schoss Timmermann auf eine Odzakovic-Ecke drüber und blieb somit trotz starker Leistung ohne Belohnung.

Der Sieg des HSV war verdient, fiel allenfalls um ein bis zwei Tore zu hoch aus. Bergedorf war 90 Minuten lang bemüht, stand aber nicht kompakt genug in der Abwehr, wie sie es noch im ersten Derby-Versuch praktiziert hatten – da gingen sie dann auch folgerichtig mit 1:0 in Führung, die beim Spielabbruch Bestand hatte. Der HSV hingegen präsentierte sich stark verbessert , ließ aber im zweiten Durchgang mehr zu und konnte dennoch unterstreichen, warum sie in der dritten Liga auf Platz zwei stehen. Vor allem, da mit Ziselsberger, Odzakovic und Teixeira Pinto jeweils ihre ersten Saisontore erzielten. Die gesamte Hamburger Verbandsliga wird drei Kreuze machen, dass diese Mannschaft dank des Klassenerhalts von Holstein Kiel in der 2. Bundesliga doch noch das „Hintertür-Spiel“ gegen Scharmbeckstotel bekommen hatte…


Statistik

Hamburger SV III.: Schippmann – Thormählen, Meinberg, Winter, Homp (70. Teixeira Pinto) – Wolff (46. Garbers), Odzakovic, Hamed, Ziselsberger – Timmermann, Miotke (48. Kameraj)

FC Bergedorf 85: Hadrous – Exposito, S. Albrecht (60. Witting), Müller – Jaekel, Schimmel, Grelck (46. Korthals), Ehlers – M. Albrecht, Pohlmann (46. Scheerer)

Schiedsrichterin: Janine Kulow (Bad Schwartau) mit Wendt Köhler und Leif Vandrey

Tore: 1:0 Ziselsberger (2.), 2:0 Odzakovic (16.), 3:0 Ziselsberger (31.), 4:0 Thormählen (42.), 5:0 Teixeira Pinto (75.), 6:0 Odzakovic (80.)

Gelbe Karten: Odzakovic (72., Foulspiel), Thormählen (83., Rangelei) / Witting (60., Wechselfehler), M. Albrecht (83., Rangelei)

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