Der vorletzte Bundesliga-Spieltag vor der kurzen Winterpause war geprägt von Spielausfällen. Vier Partien wurden abgesagt, und das Heimspiel des HSV gegen den 1.FC Saarbrücken wurde auf die Paul-Hauenschild-Anlage in Norderstedt verlegt. Der neue Kunstrasen wurde bis kurz vor dem Anpfiff noch von Schnee befreit. Entsprechend mager war die Kulisse. Denn es war saukalt: Zwar zeigte das Thermometer zwei Grad über Null an, der böige Wind und die hohe Luftfeuchtigkeit drückten die gefühlte Temperatur gen minus zehn Grad. Weder für die Zuschauer noch für die Akteurinnen waren die Umstände sonderlich angenehm. Dagegen half nur viel Bewegung.
Doch die Partie war keine zwei Minuten alt, da gab es schon wieder das große Rumstehen. Ein Saarbrücker Eckball wurde kurz ausgeführt. Der Ball kam zu Cynthia Uwak, der nigerianischen Stürmerin, auf die Achim Feifel Nina Jokuschies nochmal gesondert eingestellt hatte. Doch die Hamburgerin war gar nicht beteiligt. Im Strafraum dribbelte die Saarbrückerin und wurde dann von Silva Lone Saländer ungestüm zu Fall gebracht. Schiedsrichterin Dr. Christiane Wenkel zeigte sofort auf den Elfmeterpunkt. Kollektives Aufstöhnen auf der HSV-Bank, begleitet von Fassungslosigkeit, dass schon wieder ein 0:1-Rückstand drohte, der elfte in dieser Saison – im 16. Spiel. Die Isländerin Sif Atladottir trat an, während Uwak behandelt wurde, verlud Weech und traf links oben zum Saarbrücker Führungstreffer (2.).
Na, das ging ja gut los… Die Rothosen versuchten sofort zurückzuschlagen. In der 9. Minute brachte Carolin Simon einen Eckball von links herein. Die Saarbrückerinnen bekamen den Ball nicht aus der Gefahrenzone. Saländer setzte nach und spielte bedrängt einen Eineinhalb-Meter-Pass zu Göransson. Die Schwedin, die auf der linken Außenbahn spielte, legte den Ball an ihrer Gegenspielerin vorbei, drehte sich und zog aus 15 Metern scharf flach aufs lange Eck ab. FCS-Torhüterin Romina Holz machte sich lang, erreichte das Leder aber nicht mehr, und das passte dann zu genau unten rechts – 1:1.
Der HSV blieb nun am Drücker. Saländer flankte von rechts. Wieder bekam Saarbrücken den Ball nicht weg und Göransson in Ballbesitz. Sie legte ihn auf den rechten Fuß und schoss flach, doch Holz war zur Stelle (11.). Eine Minute später lupfte Göransson auf Kim Kulig, die vor Atladottir an den Ball kam, aber aus zwölf Metern nur in die Arme von Holz spitzeln konnte. Auf der anderen Seite schoss Christina Arend aus 30 Metern drüber (14.). Dann kam wieder der HSV. Im Strafraum kam der Ball zu Saländer, die ihn abschirmte. Noémie Beney kam hinzu und trat der HSVerin gegen die Füße. Saländer fiel leicht, und wieder entschied Schiedsrichterin Dr. Wenkel auf Strafstoß. Die Saarbrücker Proteste nutzten nichts. Ob Saländer nun fallen musste oder nicht, sei dahingestellt. Kulig war’s egal. Sie trat an und verwandelte zum 2:1 (16.).
Nach dem Führungstor der Platzherrinnen und einem harmlosen 20-Meter-Freistoß von Carolin Simon kehrte etwas Ruhe in den Strafräumen ein. Saarbrücken suchte den Weg zum Ausgleich, der HSV war um ruhigen Spielaufbau bemüht. Aber in einigen Aktionen fehlte die Handlungsschnelligkeit. So sah Simon nach unerlaubter Material-Zugprüfung am Oberkörpertextil von Arend Gelb. Zwei Minuten später sah ihre Gegenspielerin ebenfalls diese Karte, nachdem sie sich einige Fouls geleistet hatte, die nicht nur zusammen gelbwürdig gewesen waren. Erst nach einer halben Stunde wurde wieder Bemerkenswertes geliefert. Jokuschies schickte Rechtsaußen Ana-Maria Crnogorevic über den Flügel. Die Schweizerin gewann das Duell mit Ann-Katrin Schinkel und passte kurz quer. Am Fünfmeterraum verstolperte Mittelstürmerin Nicole Zweigler beinahe und stocherte die Kugel aufs Tor – an den Pfosten! Da sah Romina Holz im Gehäuse der Gäste nicht souverän aus.
Nach 31 Minuten war dann Schluss für Cynthia Uwak. Die Stürmerin schleppte sich seit der 2. Minute humpelnd durch die Partie und wurde nun erlöst, da die Offensivkraft der Saarländerinnen beeinträchtigt war. Für sie kam Juliana Edwards herein. Aber das Niveau der Begegnung passte sich den wenig freundlichen Temperaturen an: Viel zwischen, wenig in den Strafräumen.
Nach Foul an Crnogorcevic wurde Mehrfachtäterin Schatton zurecht verwarnt (39.). Und in der 45. Minute verletzte sich Beney ohne gegnerische Einwirkung schwer, sank vor Schmerz schreiend zu Boden und musste behandelt werden. Während dieser Unterbrechung kühlte Zweigler den nach einem Foul an ihr lädierten Knöchel – mit einem Schneeball. Schiedsrichterin Dr. Wenkel entschied dann, zur Halbzeitpause zu pfeifen, während Beney behandelt und kurz darauf mit einer Trage vom Platz gebracht wurde.
Solche Szenen schon als Highlights zu erklären, sagt eine Menge über die Partie aus. Der HSV hatte nach dem Ausgleich mehr Ballbesitz, büßte aber nach dem Führungstreffer den Schwung ein, der das Umdrehen des Ergebnisses möglich gemacht hatte. Zu viel war Stückwerk. Sie waren durchaus überlegen, aber alles andere als souverän. So kam der 1.FC Saarbrücken wieder besser und druckvoller rein, allerdings ohne gefährlich zu sein. Abgesehen von den drei Toren war das Geschehen ab der 18. Minute recht mau.
Der zweite Durchgang begann mit dem zweiten verletzungsbedingten Wechsel bei den Gästen: Jaqueline de Backer ersetzte Noémie Beney. Auf dem Feld passierte eine Viertelstunde lang gar nichts. Entsprechend mahnte Achim Feifel seine Mannschaft immer wieder: „Mehr machen!“. Doch es half nichts, Das Spiel war zerfahren. Saarbrücken hatte mehr Ballbesitz, der HSV wartete ab. Worauf? Das blieb unklar. Über Ansätze kam die Feifel-Truppe in dieser Phase nicht hinaus, stand aber zumindest hinten sicher. Der FCS bot eigentlich Kontermöglichkeiten, diese wurden aber viel zu früh vergeben. Erst in der 60. Minute tat sich wieder etwas. Simons Freistoß von links hinter der Mittellinie flog lang in den Strafraum. Im Fallen versuchte es Kulig scharf mit links, aber Holz boxte mit schnellem Reflex zur Ecke. Zwei Minuten später gab es erneut Freistoß, dieses Mal aber in Strafraumnähe, rechts versetzt. Eine Aufgabe für Carolin Simon. Doch die zog den Ball nicht über die Mauer, sondern flach an ihr vorbei auf die Torwartecke. Holz war düpiert, der Ball schlug im Netz ein, und es hieß 3:1 (62.).
Kurz darauf war Feierabend für Nicole Zweigler. Insgesamt blieb sie blass und wurde durch Imke Wübbenhorst ersetzt. Die war kaum im Spiel, als Kulig einen höchst unangenehmen Flatterball aus 27 Metern abließ. Holz verschätzte sich dabei und musste stehend mit dem Fuß zur Ecke klären. Das sah nicht nur spektakulär aus, es wirkte auch nicht gerade sicher (64.). Doch das Spiel blieb eher dürftig. In der 69. Minute versuchte es Aferdita Kameraj, die auch nicht ihren besten Tag erwischte, nach Zuspiel von Saländer aus der Drehung, und diesen Ball fing Holz. Saarbrücken zog den letzten Joker: Julia Leykauf ersetzte Nina Rauch. Auch der HSV tauschte ein zweites Mal, Maja Schubert ersetzte Ana-Maria Crnogorcevic, die wie Zweigler ebenfalls deutlich abgetaucht war. Da waren schon 72 Minuten rum. Qualitativ wurde es nicht besser. Die Hanseatinnen standen viel zu tief in der eigenen Hälfte, um hier vorzeitig für die Entscheidung zu sorgen und die ohne Uwak schwachen Gäste endgültig zum Verlierer zu machen. Sie mussten also weiter einen Glücksschuss des FCS fürchten, denn es war nicht auszumalen, was passieren würde, gelänge dem Gast das 2:3.
Doch in der 73. Minute war es beinahe soweit. Bei einem Steilpass von Sarah Karnbach griffen Janina Haye und Heike Freese nicht ein. Und plötzlich tauchte dahinter Julia Leykauf vermeintlich aus dem Nichts auf! Sie war frei vor der weitgehend frierenden Bianca Weech, schoss die Torhüterin aber an. Den Nachschuss von Arend blockte ein Abwehrbein rechtzeitig ab. Zum Glück. Der HSV hatte inzwischen überhaupt keine spielerische Linie mehr und leistete sich im Spiel nach vorn auch einige Schlampigkeiten. In der 79. Minute ersetzte Lena Petermann Antonia Göransson und brachte immerhin in der Schlussphase noch etwas Schwung, zumindest optisch. Eine letzte Chance hatten die Rothosen noch: Ein Freistoß von Saländer aus dem rechten Halbfeld segelte in den Strafraum, am ersten Pfosten verlängerte Kameraj per Fuß, verfehlte das Tor jedoch deutlich (88.).
Die Zuschauer dürften nicht unglücklich darüber gewesen sein, als der Schlusspfiff ertönte, denn erwärmen konnte man sich für das Geschehen auf dem Rasen kaum. Bundesliganiveau war schwer zu entdecken. Beiden fehlte die spielerische Klasse. Die Gäste blieben mit Ausnahme von zwei Szenen seit dem Führungstor komplett harmlos und zeigten ganz deutlich, warum sie mit 15 Treffern aus 15 Spielen die drittschlechteste Offensive der Liga haben und im Abstiegskampf stecken. In einem solchen Spiel, in dem die Heimmannschaft trotz des deutlich besseren Tabellenstandes ebenfalls nicht zu überzeugen weiß, muss für ein abstiegsbedrohtes Team auch bei Ausfall zweier Leistungsträgerinnen mehr herauskommen als lediglich drei Chancen. Der HSV gewann das Spiel letztlich durch Standards und – bedenkt man das Zustandekommen des Strafstoßes und den Torwartfehler beim Simon-Freistoß – durchaus glücklich, nicht aber unverdient, denn dieses kleine Quäntchen waren sie dann doch besser in einem unter dem Strich grauenhaften Bundesligaspiel.
Statistik:
Hamburger SV: Weech – Simon, Haye, Freese, Jokuschies – Kulig, Kameraj – Saländer – Göransson (79. Petermann), Zweigler (63. Wübbenhorst), Crnogorcevic (72. Schubert)
1.FC Saarbrücken: Holz – Schinkel, Schatton, Atladottir, Sweeney – Arend, Karnbach, Rauch (69. Leykauf) – Beney (46. de Backer) – Skradde-Fries, Uwak (31. Edwards)
Schiedsrichterin: Dr. Christiane Wenkel (Höxter) mit Sandy Kuchmann-Nowak (Hachelbich) und Anke Seemann (Oldisleben)
Zuschauer: 78
Tore: 0:1 Atladottir (2., Foulelfmeter), 1:1 Göransson (9.), 2:1 Kulig (16., Foulelfmeter), 3:1 Simon (62., Freistoß)
Gelbe Karten: Simon (HSV, 25. Minute, Trikotziehen), Arend (FCS, 27. Minute, Foulspiel), Schatton (FCS, 39. Minute, Foulspiel)