Am letzten regulären Spieltag des Jahres 2010 – am 19. Dezember soll noch das Auswärtsspiel beim BV Cloppenburg nachgeholt werden – empfing die Zweite auf dem geräumten Kunstrasen der Paul-Hauenschild-Anlage in Norderstedt den Tabellenvorletzten TeBe Berlin. Die Zweite war als Tabellenführer klarer Favorit. Immerhin trafen der zweitbeste Sturm und die beste Abwehr der Liga (37:14 Tore) auf die Schießbude und den schwächsten Angriff (7:42 Tore). Das heißt: Allein Denise Lehmann, zweitbeste Schützin des HSV und torgefährlichste Abwehrspielerin der 2. Bundesligen, hatte beinahe so viele Tore erzielt wie der gesamte Ex-Bundesligist.
Beim HSV waren Angelina Lübcke und Nina Brüggemann aus der Bundesligamannschaft wieder dabei, dazu kam Jobina Lahr. Sturmpartnerin von Kathrin Patzke war an diesem Tag Vera Homp. Doch die erste Torszene hatte Brüggemann. Nach fünf Minuten verlängerte sie eine Freistoß-Hereingabe von Lübcke schwach aufs Tor, doch TeBe-Keeperin Kerstin Prusas war nicht die sicherste, schnappte den Ball erst im Nachfassen.
Auf der Gegenseite kam Jessica Stegermaier über die rechte Seite und schlug eine Flanke in den Fünfmeterraum, die zum Torschuss wurde. Jenny Weber im HSV-Kasten wischte das Ding zur Seite weg (6.). Abgesehen von dieser Szene stand TeBe tief und kompakt, zog sich sofort in die eigene Hälfte zurück und war auf Schadensbegrenzung aus.
Entsprechend schwierig war auch das Herausspielen von Chancen. Nach einer Viertelstunde hatte Kathrin Patzke die erste richtig klare Möglichkeit, als sie eine Flanke von rechts am Strafraum annahm und aus 14 Metern abschloss. Prusas parierte. Zwei Minuten später bereitete sie vor, als sie den Ball halblinks in die Tiefe auf Lahr spielte. Deren scharfe Hereingabe lenkte Prusas mit einer Hand aufs eigene Tor, hatte aber Glück, dass der Ball an die Latte klatschte (17.). In der 20. Minute probierte es die aufgerückte Rechtsverteidigerin Nadine Moelter mit dem schwächeren linken Fuß aus 28 Metern. Prusas tauchte ab und lenkte den Schuss zur Ecke. Den Eckball brachte Lübcke von links herein, und Brüggemann köpfte drüber.
Die Begegnung spielte sich ohne Übertreibung zu 95 Prozent in der Hälfte der Gäste ab, aber dem HSV fehlte die letzte Durchschlagskraft. Teilweise wollten sie auch mit dem Kopf durch die Wand, daher mahnte Trainerin Claudia von Lanken von außen immer wieder: „Weitermachen! Habt Geduld!“ In der 29. Minute behauptete sich Henrike Meiforth auf links und flankte. Höß bekam den Ball nicht aufs Tor, aber Homp kam in Schussposition, zielte aus 13 Metern jedoch genau auf Prusas, die abwehren konnte.
Die Rothosen quälten sich mit dem Gegner herum, dessen Feldspielerinnen in einem Bereich zwischen Mittellinie und 30 Meter vor dem eigenen Kasten auf Angriffsbemühungen des Tabellenführers warteten. Sie brauchten tatsächlich Geduld und mussten ihre Chancen nutzen.
Die beste des ersten Durchgangs hatte Patzke. Brückner verlängerte einen langen Pass von Meiforth auf die Stürmerin. Die lief frei auf Prusas zu, kickte den Ball rechts an ihr vorbei aufs Tor – aber so schwach, dass Anissa Holzhaus vor der Linie retten konnte (39.)! Noch in der gleichen Minute hätte Meiforth es besser machen können oder müssen. Nach Flanke von rechts stand sie völlig frei am Elfmeterpunkt, nahm das Leder an und zog volley unplatziert ab – Prusas wehrte per Flugeinlage ab.
So ging es mit einem für TeBe schmeichelhaften 0:0 in die Kabinen. Offensiv fanden die Gäste überhaupt nicht statt, schienen auch gar nicht die Intention zu haben, hier ein Tor zu schießen. Der anwesende HSV-Regionalliga-Coach Peter Schulz äußerte den Wunsch, gegen TeBe ein Testspiel in der Winterpause zu machen, aber nach der Leistung bisher zu urteilen, müsste er sich diesen Wunsch wohl so ziemlich mit jedem Berliner Verbandsligisten teilen, der einen Aufbaugegner nötig hätte. Die Torlosigkeit dieser ersten Hälfte lag vor allem an ungenauen Torabschlüssen der Rothosen, die im Spielaufbau zudem oft unkonzentriert und ungeduldig wirkten und Genauigkeit in den Aktionen vermissen ließen.
Der Start in Durchgang zwei war durchaus vielversprechend. Lübcke lupfte den Ball rechts hinter die Abwehr auf Moelter, die in eine sich auftuende Lücke durchgestartet war. Im Strafraum passte die Abwehrspielerin kurz quer, aber Homp zögerte mit dem Abschluss und wurde dann im Fünfmeterraum abgeblockt (50.). Die Szene hatte durchaus Symbolcharakter: Bis zum Strafraum sah es gut aus, dann aber fehlte die Entschlossenheit.
Zwei Minuten später kam Patzke links an den Ball und marschierte in den Strafraum. Dann passte sie quer vor den Fünfmeterraum. Homp startete durch, lief in den Ball herein und traf zum erlösenden 1:0. Endlich! Aber das Tor war kein Brustlöser. Die Partie lief genauso weiter, wie sie schon über weite Strecken der ersten Halbzeit gelaufen war. So bekam die Partie bei inzwischen eingesetztem Eisregen und böigem, eiskaltem Wind vor allem aus Zuschauersicht unangenehme Längen. Eine Viertelstunde mussten sie warten, bis sich die nächste Torszene ereignete. Lübcke passte rechts hinter die Abwehr auf Homp und startete durch. Die Torschützin konnte den Ball erlaufen und quer spielen. Patzke verpasste am kurzen Pfosten, dahinter kam Lübcke zum Schuss, nahm den Ball direkt, vergab aber kläglich: Prusas wehrte trotz nur kurzer Schussdistanz ab (67.).
Zwar sah es so aus, als würde TeBe nun einen Hauch offensiver werden, aber die Bemühungen der Gäste Richtung HSV-Strafraum waren extrem überschaubar. Es sah auch nicht so aus, als waren die „Veilchenladies“ auf den Ausgleich aus, sondern eher auf die Heimreise mit einem (veilchen-)blauen Auge.
Trotz desolaten Gegners hatte der HSV große Probleme im Aufbauspiel, die Aktionen waren häufig zu ungenau, teils auch kopflos. Ab der 72. Minute sollte Melanie Nilsson für die abgetauchte Anika Höß neuen Schwung bringen: Sie ging in die Spitze, Homp nach rechts auf die Höß-Position.
TeBes offizielle Trainer-Assistentin Gaby Wahnschaffe überraschte dann nicht nur die Zuschauer, sondern auch ihre eigene Mannschaft mit einer Ansage eine Viertelstunde vor dem Ende: Wollte sie nun plötzlich doch einen Punkt entführen? Sie stellte Anissa Holzhaus in den Sturm, ließ Grunow dafür in die Kette rücken. Kommentar Holzhaus dazu: „Icke?“ In der 82. Minute tat sich dann erst wieder Bemerkenswertes, als Lahr aus 28 Metern drüber zielte. In den Schlussminuten löste Wahnschaffe nun sogar die Viererkette auf, und das sollte sich rächen. Katharina Wenk führte nach einer Abseitsposition von Patzke einen Freistoß auf Grunow aus. Der allerdings war so schwach getreten, dass die am schnellsten reagierende Vera Homp dazwischen ging, den Ball stibitzte, allein vor Prusas stand und das Spielgerät unten rechts zum entscheidenden 2:0 versenkte (87.). Ihr zweites Tor an diesem Tag und in dieser Saison. Sowas nennt man „Matchwinnerin“.
Das Ergebnis hätte in der letzten Minute noch höher ausfallen können. Meiforths Pass hinter die Abwehr unterbrach Sahra Müller zwar zunächst, aber Doppeltorschützin Homp erkämpfte sich das Leder zurück, lief quer zur Mitte und stocherte den Ball dann zu Patzke. Die kam irgendwie durch zum Tor, zögerte aber zu lange, und als sie dann schoss, ballerte sie Prusas genau an.
So blieb es beim verdienten 2:0-Sieg des Tabellenführers gegen ein Tennis-Borussia Berlin, das in keiner Phase des Spiels den Anforderungen der zweiten Bundesliga genügte – und das als Absteiger aus dem Oberhaus! Eine einzige Möglichkeit hatten sie in 90 Minuten, und das war nicht einmal ein gewollter Torschuss gewesen, sondern eine verunglückte Felsch-Flanke nach sechs Minuten. Der HSV bekleckerte sich über weite Strecken zwar auch nicht mit Ruhm, hatte aber mit Vera Homp eine Spielerin in den eigenen Reihen, die nicht nur beste Akteurin auf dem Feld war, sondern auch die entscheidende Entschlossenheit und Geduld an den Tag legte, um die drei Punkte im Norden zu behalten.
Statistik:
Hamburger SV II.: Weber – Brüggemann, Lehmann, Hepfer, Moelter – Lahr, Meiforth, Lübcke, Höß (72. Nilsson) – Patzke, Homp
Tennis-Borussia Berlin: Prusas – Müller, Holzhaus, Brückner, Wenk – Felsch, Lindner, Grunow, Stegermaier – Heß – Hinz
Schiedsrichterin: Mirka Derlin (Bad Schwartau) mit Janine Kulow (Dahme) und Susann Kunkel (Bad Oldesloe)
Zuschauer: 45
Tore: 1:0 Homp (52.), 2:0 Homp (87.)
Gelbe Karten: keine