Es war noch nie einfach, ein Torjäger zu sein. Es macht vor allem Arbeit: Man verbringt mitunter einen Großteil des sonntäglichen Tageslichts auf einer Sportanlage oder auf dem Weg dorthin und wieder nach Hause. Dabei sind die Spiele selbst noch der spannende und spaßige Teil. Zuhause muss man dann die Eindrücke und Notizen noch in eine Form gießen und mit den besten Bildern, die das Spielgeschehen wiedergeben, garnieren. Das dauert einige Stunden. Man verbringt Lebenszeit mit Dingen, die anderen, entspannenderen oder aufregenderen Tätigkeiten im Wege stehen. Und warum? Weil die Leidenschaft einem Torjäger praktisch keine andere Wahl lässt. Und die, über die da geschrieben wird, bekommen Feedback von anderer Seite als von Trainern und Eltern.
Natürlich sind nicht alle immer damit einverstanden, was auf dieser Seite veröffentlicht wird. Das muss auch nicht sein. Es ist das Privileg eines Torjägers, eben nicht die offizielle Meinung teilen zu müssen. Und wer als Torjäger seine Meinung schreibt, muss damit rechnen, dass jemand anderer Meinung ist und dies auch kund tut. So eine Diskussion kann auch durchaus befruchtend für beide Seiten sein, und eine andere Perspektive, ein anderer Aspekt, das Betrachten des Geschehens aus den Augen eines anderen kann beiden nicht schaden.
Aber dann und wann gibt es auch diese Momente, da packt einen Torjäger die blanke Wut. Gestern war so ein Tag. Am Nachmittag flatterte mir eine E-Mail auf den Tisch vom Vater einer Spielerin des SC Eilbek, die bereits eine HSV-Vergangenheit hat. In dieser forderte besagter Vater (einer, soweit mir bekannt ist, bereits volljährigen Tochter), dass der Nachname von der Webseite der Torjäger gelöscht würde und wir diesen in Zukunft auch nicht mehr erwähnen. Der Name werde nur im negativen Sinne benutzt, positive Spielsituationen seien nicht mit Namen erwähnt. Sollte der Name nicht bis Mitternacht von der Webseite getilgt sein, drohte er mit der Übergabe der Angelegenheit an einen Rechtsanwalt, „deren“ Kosten ich zu tragen hätte. Dass diese Email bar jeder Grußformeln auskam, versteht sich natürlich von selbst…
Wer sich den Spielbericht (Anmerkung: Es handelt sich um die bearbeitete Originalversion, in der lediglich der Name anonymisiert, die Begründung für diese Maßnahme erklärt und ein Faktenfehler im Kader des HSV berichtigt wird) ansieht, wird sich zwangsläufig fragen, was denn dieser Herr gemeint haben könnte. Das habe ich mich auch gefragt. Über die Tochter des empörten Herrn habe ich kein (dis-)qualifizierendes Wort verloren. Die erste Erwähnung fand sie in ihrer Eigenschaft als frühere HSV-Spielerin neben drei weiteren. Die zweite Erwähnung fand sich in Bezug auf einen meiner Meinung nach nicht gut ausgeführten Pass, nach dem die Teamkollegin den Ball verlor und in der Folge das 1:0 für den HSV fiel – das war auch das einzige sachlich-kritische Wort auf die Spielerin selbst bezogen. Die dritte Erwähnung bezog sich auf ihre Auswechslung. Die vierte Erwähnung war ihre erneute Einwechslung für die verletzte Teamkollegin Alexandra Filippow, der ich bei dieser Gelegenheit gute Besserung wünschen möchte.
Nun, ich weiß nicht, wie man das in Eilbek sieht, aber ich fände nichts Positives daran, wenn meine Mannschaft als erfahrener Frauen-Verbandsligist gegen einen B- und C-Mädchen-Mix 1:3 verlöre, auch in einem Freundschaftsspiel nicht. Der Anspruch einer Mannschaft als angehendem Hamburger Meister sollte eine Woche vor Rückrundenbeginn mit dem schweren Auswärtsspiel bei Duwo 08 eigentlich ein anderer sein. Ich hatte im Gespräch mit dem Eilbeker Trainer Javier Navarro, den ich noch aus Zeiten beim Niendorfer TSV kenne, auch nicht den Eindruck, dass er viele positive Aspekte bei seiner Mannschaft gesehen hätte – von der Diskussion um wenigstens einen Torwartfehler mal abgesehen, der deutlich macht, warum der SC Eilbek noch eine Torhüterin sucht.
Kritisiert habe ich den SC Eilbek in meinem Bericht als solchen bzw. die Mannschaft selbst. Ich gebe zu, das Wort „blamiert“ im Titel ist provokant gewählt, aber wohl kaum geeignet, eine komplette Herabwürdigung zu begründen – immerhin impliziert es ja auch, dass der Gegner eigentlich besser ist, als er es an diesem Tag zeigte. Im Text war der Ton kritisch, aber eindeutig sachlich. Ich schrieb, dass die Mannschaft des SC Eilbek sich schwer tat und den Platz als Verlierer verließ. Der SC Eilbek hatte zunächst mehr Ballbesitz, blieb aber harmlos. Diesen Eindruck untermauerte der Umstand, dass ich die erste Torchance im gesamten Spiel in der 24. Minute notierte, und die auch noch für den HSV. Ich beschrieb die erste Eilbeker Chance als Bogenlampe, und mangels Erkenntnis der Person – ich schrieb gerade die Torentstehung auf und sah nur Svenja Busies den Ball herunterpflücken – ohne Schützennennung. Ich beschrieb Eilbek als robuster, aber als weniger bissig, und den Fehler, der zum 2:0 führte. Ich schrieb, dass eine Reaktion ausblieb, denn die Angriffsbemühungen des SCE blieben gleichförmig und verrieten keine Trotzreaktion. Also nichts, was man von einer Mannschaft erwartete, die 0:2 zurück lag, obwohl sie von den Anlagen her eigentlich überlegen sein müsste.
Oder empfindet besagter Herr etwa schon die Ansicht, die HSV-Juniorinnen seien gleichwertig gewesen, als Beleidigung seiner Tochter? Dass der Eilbeker Mannschaft Ideen und Genauigkeit fehlte? Dass die erwartete Vehemenz und das Einbrechen der HSV-Mädchen zu Beginn der zweiten Hälfte ausblieb? Ist es eine Beleidigung für eine einzelne Spielerin, dass der Anschlusstreffer ihrer Mannschaft als glücklich beschrieben wird, weil der Schuss abgefälscht war und Svenja Busies auf dem falschen Fuß erwischt wurde? Oder sollte er sich tatsächlich daran aufgehängt haben, dass seine Tochter gerade nicht im Spiel war, als ich für Eilbek deren beste Phase attestierte? Demnach kann das nicht richtige Nachsetzen des SCE wohl kaum auf die Tochter bezogen worden sein, denn auch da war sie noch nicht wieder auf dem Feld, als Phuong Uyen Le Do zum 3:1 abstaubte. Und auch meine Ansicht, Eilbek sei an diesem Tag recht schwach gewesen, harmlos, im Zusammenspiel ungenau und anscheinend ohne die rechte Einstellung, kann unmöglich als Herabsetzung einer einzelnen Spielerin herhalten können, denn auch dies war auf die Mannschaft als Gesamtheit bezogen, von der die Akteurin an diesem Tag nur ein Vierzehntel darstellte.
Und das Ausbleiben einer positiven Erwähnung als Beleidigung? Nicht mal ein halbwegs vernunftbegabter Abmahnanwalt käme wohl auf diesen Kunstgriff als Stilmittel… Zumal eine positive Erwähnung beinahe ein Ding der Unmöglichkeit war. Wer die Spielberichterstattung im Fernsehen bei der ARD-Sportschau, Sport1 oder Sky verfolgt oder den Liveübertragungen im Radio zuhört, wird mit Sicherheit schon festgestellt haben, worauf dabei das Hauptaugenmerk liegt: Tore, Torszenen und bemerkenswerte Ereignisse wie Elfmeter, Karten, Rudelbildungen, Flitzer auf dem Rasen. Kurzum: Alles, was das Spielgeschehen interessant macht. Bekommt man in derartigen 8-Minuten-Berichten mal Ballstaffetten zu sehen, dienen sie grundsätzlich dazu, das Geschehen auf dem Platz als über weite Strecken langweilig oder zerfahren darzustellen, also einen negativen Aspekt zu beschreiben, der verhindert, dass mehr Torszenen gezeigt werden können. So halten auch wir Torjäger es mit der Berichterstattung: Tore und Torszenen sind das Salz in der Suppe, und die Wiedergabe des Geschehens zwischen den Szenen ist die Einlage. Grundsätzlich ist es also nicht allzu schwer, namentlich positiv in Erscheinung zu treten. Ein Torschuss wäre da das Einfachste, ein Tor natürlich umso besser, und wenn es dann auch noch ein schönes Tor ist, schnalzt ein Torjäger schon mal mit der Zunge, selbst wenn die Kugel im HSV-Kasten landet.
Nun hat diese Spielerin des SC Eilbek dummerweise ein kleines „Problem“, was das In-Erscheinung-Treten als Ausgangspunkt einer Torchance angeht. Die Wahrscheinlichkeit, an der Entstehung eines Tores oder eines Torschusses beteiligt zu sein, sinkt mit der Entfernung vom gegnerischen Tor. Und wer schon mal Fußball gesehen hat, wird wissen, dass eine rechte Außenverteidigerin – das ist die Position, die die Spielerin während ihrer ersten 51 Minuten auf dem Spielfeld bekleidete – in einer nicht explizit offensiv ausgerichteten Viererkette, die viel taktische Disziplin und Laufarbeit erfordert, zusammen mit ihrem linken Pendant den nach der eigenen Torhüterin weitesten Weg zum gegnerischen Tor hat. Tendenziell wird es also naturgemäß eher selten passieren, dass Außenverteidiger maßgeblich und erwähnungswürdig an Torszenen beteiligt sind. Vor allem setzt das voraus, dass es überhaupt Torszenen gibt. Für den SC Eilbek notierte ich am Sonntag derer genau drei. Innerhalb von 80 Spielminuten. Und nach meiner Wahrnehmung war die Spielerin, deren Vater uns drohend zur Tilgung des Namens aufforderte, an keiner dieser Szenen in einem Maße beteiligt, dass es erwähnenswert wäre und dem Leser einen Mehrwert böte. Allerdings ist es auch nicht unmöglich, dass ich das übersehen haben könnte – dem Spielgeschehen zu folgen, während man sich abwechselnd Notizen macht und Serienfotos schießt, derweil man das Spiel in der Zeit durch einen 0,6 mal 1,0 Quadratzentimeter großen Sucher zu verfolgen versucht, ist nicht ganz einfach. Wer das nicht glaubt, sollte es mal versuchen… Aber auch das gehört zum Torjäger-Sein.
Was also hätte ich Positives über seine Tochter schreiben sollen? Es stehen 22 Spielerinnen gleichzeitig auf dem Platz, und es ist unmöglich, für jede einzelne jede ge- und misslungene Aktion festzuhalten. Und welchen Mehrwert stellt es für den Leser dar, wenn die Spielerin einen bestimmten von durchschnittlich vielleicht dreißig Zweikämpfen im gesamten Spiel an einer Stelle gewinnt, die für die Entstehung einer Torszene überhaupt nicht relevant ist? Dieser Forderung folgend, müsste ich aber auch alle verlorenen Zweikämpfe zur Sprache bringen; analog wäre das auch für Pässe und Fehlpässe gültig, vielleicht sogar für richtige und falsche Laufwege… Für diesen Mehrwert zur Sendezeit bezahlen die Bundesliga-Sender übrigens jedes Jahr einige Millionen Euro für Infrastruktur und Personal. Für ein ehrenamtliches Fanprojekt jedoch kann das nicht sinn- und zweckstiftend sein. Von daher bleibt nur die subjektive Meinungsäußerung des Berichtenden. Und nichts anderes ist hier veröffentlicht worden.
Warum aber habe ich der Forderung Folge geleistet? Das ist recht einfach erklärt. Mir ist der Name des Email-Schreibers aus der Vergangenheit durchaus ein Begriff, und das nicht in positiver Hinsicht. Es hat einige Vorfälle rund um den HSV-Frauenfußball gegeben, die so nicht in Ordnung waren und auch auf eine andere Art und Weise Konsequenzen hatten. Da es sich nach meinem Kenntnisstand auch juristisch noch um ein laufendes Verfahren handelt und es auch andere Personen als mich betrifft, kann und werde ich hier nicht in Details gehen. Fakt ist aber, dass der Name des Spielerinnen-Vaters in diesem Kontext vorkommt. So schrillten also bei mir wegen dieser Email die Alarmglocken. Meine Reaktion auf seine Drohung war daher lediglich Selbstschutz. Ich war nicht bereit, mich deswegen in einen Rechtsstreit verwickeln zu lassen, der mich Zeit, Nerven und vor allem erstmal Geld für Gegenmaßnahmen kosten würde, sollte es ihm gelingen, einen unseriösen Rechtsanwalt zu finden, der so scharf auf seine Vergütung nach RVG ist, dass er den Rechtsweg selbst ohne Erfolgsaussichten zu beschreiten empfehlen würde. Ob ich dann selbst im Erfolgsfalle für mich meine Kosten und Auslagen von der Gegenseite erstattet bekäme, steht noch auf einem anderen Blatt: Ich kenne den Herrn persönlich nicht, habe also keinerlei Anhaltspunkte, ob er solvent genug wäre, aus eigener Tasche die Verfahrenskosten einschließlich der meinen zu tragen. Es bestünde also durchaus die Gefahr, dass ich trotz Erfolgs auf meinen Kosten sitzen bliebe. Und das war mir die Sache, geschweige denn Spielerin und Vater, nicht wert.
Wobei ich kaum glaube, dass die „Empörung“ ursächlich von der Tochter ausging. Es ist leicht zu sagen, dass in so einem Fall wie dem vorliegenden die Ursache darin liegt, dass überehrgeizige Eltern das Nichterreichen ihrer eigenen Lebensziele durch Erfolge ihrer Kinder kompensieren wollen und sich allein darüber definieren. Ob das hier vorliegt, weiß ich nicht. Ich kenne die Familie nicht und die Spielerin auch nur von ihren Einsätzen auf dem Feld. Ich halte es nicht per se für verwerflich, wenn das eigene Kind für die Eltern das Beste ist. Nein, Eltern sollen stolz auf ihren Nachwuchs sein, schließlich ist es das eigene Fleisch und Blut. Daran ist nichts moralisch Böses. Ein echtes Problem ist es aber dann, wenn die Eltern ihren Spross so vergöttern, dass der Blick für die Realität verloren geht. Die Tochter kann für den Papa die Größte sein, aber er muss es akzeptieren, wenn ihre Leistung eben nicht die anderen überragt, sie nicht ständig im Rampenlicht steht und sich andere profilieren. Und er muss es akzeptieren, wenn andere dieser Meinung über seine Tochter sind.
Problematisch ist das deswegen, weil das Verhalten der Eltern auf das Kind zurückfällt. Die Eltern meinen, das Beste für ihr Kind zu wollen, indem sie es gegenüber anderen herauszustellen versuchen. Nur: Fußball ist ein Mannschaftssport. Das heißt, dass eben nicht nur das Kind auf dem Platz steht, sondern auch noch zehn andere in der eigenen Mannschaft und elf andere in der gegnerischen, die alle Kinder von stolzen Eltern sind. Solche Eltern, die eine Sonderrolle für ihr vermeintlich viel begabteres Kind einfordern, ernten allerdings mindestens Unverständnis. Zudem setzen sie nicht nur ihr Kind einem unmenschlichen Leistungsdruck aus, sondern vergiften auch das Klima in der Mannschaft. Die Folge kann dann sein, dass eben dieses Kind aus dem Team isoliert wird. Denn es sind nicht die Eltern, die auf dem Platz stehen, sondern das Kind, und wenn ein Trainer oder eine Mannschaft will, dass diese Klimavergiftung aufhört, kann es als einzige Gegenwehr nur die Spielerin aus der Gruppe verstoßen. Passiert das mehr als einmal, droht sogar die Gefahr, dass es sich herumspricht und die Suche nach einem neuen Verein zunehmend erschwert wird. Und das kann nicht im Sinne eines geliebten Kindes sein, das einfach nur Spaß beim Fußballspielen haben will.
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Kommentare:
guggste, Eingereicht am 01.02.2011 um 14:17: Das hier ist die interessanteste und informativste Fanseite in Deutschland. Hier wird über alle Abteilungen des HSV Mädchen und Frauenfussballs berichtet. Wer möchte erfährt hier alles, aktuelle und vergangene, lesenswert beschrieben. Für eine HSV Fanseite fasst schon zu journalistisch neutral. Ich habe auch den Bericht gelesen und kann mich in Keinsterweise an eine despektierliche Berichterstattung erinnern. Es war ein vollkommen normaler Sportbericht über die erfolgreiche Nachwuchsarbeit seitens des HSV, wer möchte kann gerne beitreten und davon profitieren.
Moni, Eingereicht am 02.02.2011 um 21:42: Ich finde Eure Berichte Spitzenklasse! Ein dickes Lob und vielen Dank für die viele Arbeit und Liebe, die Ihr in diese Seite steckt!!!
Le, Eingereicht am 03.02.2011 um 00:50: Vielen Danke Fuxi,ich hatte fass jeden Tag dein Bericht lesen.Und immer bereiterung und finde ich dich wie einer echt Profi Jounallist