Chancen sehen

Torjäger Kuddel

Ein Kommentar von Kuddel

In der angeregten Diskussion um die vom HSV-Vorstand beschlossenen Sparmaßnahmen im Frauenfußball wird derzeit oft übersehen, dass der HSV über einen Frauen-Leistungsbereich und eine Amateurabteilung Frauen- und Mädchenfußball verfügt. Die Sparmaßnahmen betreffen den Leistungsbereich, nicht die Amateurabteilung. Betroffen sind also die Mannschaften und Stäbe der 1. Frauen, 2. Frauen, 1. B-Juniorinnen und 1. C-Juniorinnen.

Mittelkürzung

Durch die beim HSV getroffene Entscheidung die finanziellen Mittel für den Frauenfußball deutlich zu kürzen, steht der Abteilungsleitung Leistungsbereich ein spürbar geringerer Etat zur Verfügung. Laut Vorstandsmitglied Bastian Reinhard habe dann letztendlich kein Weg daran vorbei geführt, die 2. Mannschaft abzumelden, um die Mittel gebündelt den 1. Frauen in der Frauen-Bundesliga zur Verfügung zu stellen.

Darüber, dass im Gesamtverein an anderen Stellen ungleich größere Summen bewegt werden und dort Sparmaßnahmen zu deutlich weniger schwerwiegenden Folgen führen würden, kann man vortrefflich diskutieren. Auch über den Zeitpunkt der Bekanntgabe, einen Tag nach Gewinn der Meisterschaft in der 2. Bundesliga Nord, ließen sich viele Worte verlieren. Dass die Entscheidung im WM-Jahr prekär ist, fällt ebenfalls auf. Das gilt auch für den Umstand, dass der Vorstand statt einer Meisterprämie der Erfolgsmannschaft ein kleinwüchsiges Blümchen samt Auflösungsmitteilung präsentierte und auch die angedachte Verabschiedung in der Arena platzen ließ. Am schlimmsten aber ist die Situation für die Spielerinnen und Stäbe in der Abteilung Leistungsfußball.

Was kann man nun tun? Was können die Betroffenen tun?

Man kann den großen Aufstand wagen, den Verein beschimpfen, gar verlassen, oder still vor sich hingrummeln – und dergleichen mehr. Man kann sich aber auch der Situation stellen und mit möglichst kühlem Kopf versuchen im nun vorgegebenen Rahmen die Zukunft zu gestalten.

Neuaufstellung der Abteilungsleitung Amateurfußball

Und genau dieses passiert gerade in den Abteilungen. Zwischenzeitlich wurde die Abteilungsleitung der Amateurabteilung Frauen- und Mädchenfußball umgebildet, um für künftige Aufgaben gut aufgestellt zu sein. Thorsten Wolff übernimmt das Amt der Abteilungsleitung. Anja Lassen wird für das Passwesen zuständig sein. Peter Schulz ist per sofort der sportliche Leiter der Abteilung und damit auch für die Kaderplanungen zuständig. Eine weitere Person soll das Trio in Kürze erweitern. Berthold Günther wird zunächst keine Aufgaben mehr wahrnehmen.

Erste Entscheidungen sind bereits getroffen worden. So wird die Amateurabteilung das in die Regionalliga Nord absteigende Team der 2. Frauen aufnehmen und integrieren. Wohlbemerkt den Namen und das Startrecht. Ob auch die Spielerinnen, das hängt an eben diesen und der frisch ernannten sportlichen Leitung der Abteilung, Peter Schulz.

Wiederaufstieg nicht ausgeschlossen

Grundsätzlich steht die Tür für die Spielerinnen der bisherigen HSV II in drei Richtungen offen. Mehrere Spielerinnen haben das Angebot bekommen, von der Zweiten in die Erste Bundesliga zu wechseln. So sich diese vorstellen können sportlich den Schritt in Liga 1 zu machen, sich dem Team von Achim Feifel anschließen wollen und den angebotenen Vertrag akzeptieren, wäre die Zukunft dieser Spielerinnen geklärt.

Andere Spielerinnen der HSV II stehen mit Peter Schulz in Kontakt und könnten der künftigen Regionalligamannschaft mit ihrer Erfahrung ganz sicher hilfreich sein. Wichtig ist auch: Ein Wiederaufstieg ist nicht ausgeschlossen, denn durch die Umstrukturierung der zweiten Mannschaft, in die Amateurabteilung, könnte auch der finanzielle Rahmen gewährleistet sein. Die Amateurabteilung steht dem sportlichen Erfolg von HSV II, in der kommenden Saison, jedenfalls positiv gegenüber. Sprich bei entsprechenden Leistungen könnten die jetzigen und künftigen HSV II-Spielerinnen womöglich künftig auch wieder in der 2. Bundesliga Nord landen.

Der dritte Weg ist allerdings auch der Vereinswechsel. Hierfür haben sich einige bereits entschieden. Andere sind noch unentschlossen, schnuppern per Probetraining bei anderen Vereinen herein. Ihre Zukunft beim HSV ist jedoch noch nicht ganz ausgeschlossen.

Neues Sprungbrett HSV II

Das künftige Regionalligateam HSV II ist das vereinsinterne Sprungbrett für die Frauen-Bundesliga. Wer sich dort bewährt, hat Aussicht im Team der Frauen-Bundesliga seine Chance zu erhalten. Doch nicht nur einzelne Spielerinnen können profitieren, das ganze Team der künftigen HSV II wäre bei entsprechendem sportlichen Erfolg aufstiegsberechtigt für die 2. Bundesliga Nord. Das galt in der vorherigen Konstellation für die Regionalligamannschaft nicht. Engagement in diesem Team lohnt sich also noch mehr als zuvor.

An Spieltagen wird es eine enge Kooperation geben für Spielerinnen die Spielpraxis benötigen. Sie können von der HSV I in die HSV II gehen und diese unterstützen. Herrscht Bedarf in der HSV I, fällt die Wahl auf Spielerinnen der Regionalligamannschaft.

Gestärkter Unterbau

Spielerinnen der künftigen HSV II, bisherigen HSV III, profitieren aber auch davon, dass ihr Team zwangsabsteigt. Das klingt zunächst unsinnig.

Bisher war der Unterbau der Regionalligamannschaft HSV III die Mannschaft der HSV IV, welche in der Bezirksliga West spielt. Künftig aber ist die zwangsabsteigende HSV III in der Verbandsliga Hamburg aktiv.

Teile des bisherigen Teams der HSV IV schlüpfen – gemeinsam mit Spielerinnen u. a. der B-Juniorinnen – unter dem Namen HSV III in die Verbandsliga. Die ersten Kaderplanungen lassen einen absolut konkurrenzfähigen Kader erwarten. Aufgrund der engen Kooperation ist an Spieltagen auch mit einzelnen Spielerinnen aus der Regionalligamannschaft zu rechnen.

Die Verbandsligaspielerinnen sind künftig deutlich näher dran am Team der Regionalliga Nord, als noch zu Bezirksligazeiten. Sie sind bereits das Niveau der Verbandsliga gewohnt und für sie wäre der Leistungssprung zur Regionalliga Nord bei Weitem nicht so stark. Weiterer Pluspunkt: In dieser spielstarken und leistungsorientierten Liga lässt sich für Ersatzspielerinnen der HSV II auf viel höherem Niveau die Form wieder finden.

Für viele der Spielerinnen der Bezirksligamannschaft bedeutet die Konstellation einen Doppelaufstieg um zwei Spielklassen, den sie sich vor dieser Saison ganz bestimmt nicht erträumt haben. Sie sind also auch Gewinner.

Einstieg für Juniorinnen

Verlierer gibt es auch keine. Die Spielerinnen der HSV IV, die nicht in der Verbandsliga spielen wollen oder bei denen die sportliche Leitung meint, dass das dann doch ein zu anspruchsvolles Niveau wäre, können in der vertrauten Bezirksliga West bleiben. Denn die Amateurabteilung hat beschlossen, dass das Team erhalten bleibt. Auch gut: Hier bekommen künftig ebenfalls B-Juniorinnen die Möglichkeit die ersten Erfahrungen im Frauenfußball zu erlangen.

Nicht nur bei den Spielerinnen, auch bei den Trainerstäben tut sich was. Der Stab für die HSV II wurde ja gerade vor einigen Wochen mit Peter Schulz und Joachim Böhmer neu aufgestellt. Die neue HSV III erhält einen neuen Trainer und mit Thorsten Wolff auch einen Co-Trainer. Auch die künftige HSV IV wird einen neuen Trainer bekommen.

Gleiches gilt für den Co.-Trainerposten bei den 2. B-Mädchen und die Trainerposition bei den 1. D-Mädchen, welche Ralph Schreiber übernehmen wird, da dort Sebastian Günther aufhört. Gespräche mit ersten Kandidaten gibt es bereits.

Ich denke, man kann getrost sagen, dass die Amateurabteilung Frauen und Mädchenfußball mit den Mannschaften HSV II (Regionalliga Nord), HSV III (Verbandsliga Hamburg), HSV IV (Bezirksliga West), HSV V (Sonderstaffel West), 2. B-Mädchen, 2. C-Mädchen, 1. D-Mädchen, 2. D-Mädchen und 1. E-Mädchen, in der Saison 2011/2012 ausgesprochen gut aufgestellt ist.

Kaderplanung HSV I

Bleibt der Wermutstropfen für die Spielerinnen der HSV I. Denn man sah sich auch gezwungen, die finanziellen Rahmenbedingungen für dieses Team anzupassen. Ganz konkret: Die Dotierungen der neuen Verträge liegen z. T. deutlich unter den bisherigen. Für etliche Spielerinnen ist das sehr bitter, da sie mit diesen Geldern kalkuliert hatten. Durch verstärkte Akquise von zusätzlichen Sponsorengeldern soll die Situation möglichst noch entschärft werden.

Dennoch gibt es inzwischen erste Zusagen von Spielerinnen, die diese neuen Bedingungen akzeptieren und weiterhin für den HSV spielen möchten. Andere Akteurinnen überlegen derzeit noch, schauen sich um. Verbleib nicht ausgeschlossen.

Aber, es soll nicht unterschlagen werden, dass der bereits veröffentlichte Verlust von Spielerinnen wie Kim Kulig, Ana-Maria Crnogorcevic, Jobina Lahr, Imke Wübbenhorst, Antonia Göransson oder Nicole Zweigler aufgefangen werden muss.

Daran wird derzeit mit Hochdruck gearbeitet. Zwei Neuverpflichtungen sind inzwischen perfekt, weitere in der Pipeline. Das Scouting wurde natürlich den neuen Gegebenheiten angepasst. Angesichts der obigen Abgänge wird sofort klar, dass, ohne die anderen Mannschaftsteile zu vernachlässigen, insbesondere offensivstarke Spielerinnen gefragt sind. Auch von extern.

Immer wieder tauchen talentierte Spielerinnen anderer Vereine zum Probetraining auf und hinterlassen durchaus vielversprechende Eindrücke. Das Ziel ist natürlich, einen möglichst starken, konkurrenzfähigen Kader zusammenzustellen. Sobald dieser erst mal steht, kann man sich über das konkrete Saisonziel Gedanken machen und dieses formulieren. Dass schon jetzt, in Unkenntnis des Kaders, viele den HSV als Abstiegskandidaten Nr. 1 abstempeln, empfinde ich zu diesem Zeitpunkt als verfrüht und ungerecht.

Dass alle Betroffenen die neue Situation nicht als ideal ansehen und mit Kritik begleiten, verstehe ich gut. Mir geht es genauso. Ich gebe aber zu bedenken, dass der HSV-Frauen und Mädchenfußball sich mit der hier aufgezeigten Konstellation nicht zu verstecken braucht und vielen Talenten beste Möglichkeiten für ihre sportliche Weiterentwicklung gibt.

Kuddel

PS: Hier ein Beitrag des NDR Fernsehens zum Thema

Kommentare:

Sportsmann, Eingereicht am 18.05.2011 um 15:16, Ein Kommentar zum Kommentar von Kuddel:
„In der angeregten Diskussion um die vom HSV-Vorstand beschlossenen Sparmaßnahmen im Frauen-Leistungsbereich und eine Chance für die Amateurabteilung Frauen- und Mädchenfußball!“ Wenn man es positiv sehen möchte, dann sieht es auch so aus! Ist kein Geld vorhanden, dann kann kein Geld ausgegeben werden. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, aber warum der neue Vorstand diese Entscheidung in dieser Form auf dem Rücken der Mannschaft ausgetragen hat, ist mir wahrlich ein Rätsel. Was ich gerne wissen würde, warum hat es im Vorfelde keine Kommunikation zwischen der Leistungsabteilung und der Amateurabteilung gegeben. Warum hat der HSV wie angekündigt, die Mannschaft nicht im Stadion für ihre sportliche Leistung geehrt und so kurz vor dem Spiel einen Rückzieher gemacht? Es geht hier immer noch um Menschen, die für den HSV großen sportlichen Einsatz erbracht haben und damit den maximalen Erfolg erzielt haben. Dies gibt kein schönes Bild ab und kann man davon ableiten welchen Stellenwert die Spielerinnen im Verein genießen? Diese Situation ist eine Chance, aber ich finde wie die Spielerinnen abgefertigt wurden lässt viele Fragen offen und solch eine Situation hätte mit besonnen Einsatz ohne große finanzielle Mittel besser gelöst werden können/müssen und diesen Spiegel sollten sich alle Verantwortlichen einmal vorhalten. Viel Erfolg für die Zukunft und nutzt die Chance einmal alles zu hinterfragen.

Reiner, Eingereicht am 18.05.2011 um 09:40: Tut mir leid Yeti, aber Du hast Kuddel nicht verstanden !

yeti, Eingereicht am 17.05.2011 um 22:21: Moin, naja, es wird ein Team eliminiert und alles wird Gut. Super Idee. Es gibt nur Gewinner. Was für ein Schwachsinn.
Wenn eine Mannschaft wegfällt, gibt es auch Verlierer. Irgendwelche Spielerinnen müssen gehen. Das eingesparte Geld geht an die anderen? Blödsinn. Wenn die BL Mannschft in der Bl bleiben soll, wird es in Zukunpft um einiges Teurer, da der Unterbau fehlt. Oder ist es so, das U17 Spielerinnen oder Spielerinnen aus der Regionalliga gleich das Spielerische Niveau der 1. BL haben? Es müssten also Spielerinnen für viel Geld geholt werden. Aber wenn alle glauben das alles Gut wird, hat der Verein ja alles richtig gemacht. Echt Lachhaft. mfg Yeti

guggste, Eingereicht am 17.05.2011 um 15:17: Geht man wirklich nüchtern an die Sache, ist die einzige Konsequenz den Hamburger Frauenfussball auf eigene Füsse zu stellen. Die Kosten die aufgrund der Kürzung übrig bleiben haben doch jetzt die Spielerinnen und deren Umfeld aufzufangen. Das ist dem HSV in diesem Zusammenhang nicht mehr zu gönnen. Auserdem hat Fuxi zum Thema 2te die richtigen Worte gefunden.

nobby, Eingereicht am 17.05.2011 um 10:14: Danke Kuddel, für deinen sachlichen Bericht. Auch ich versuche nach allem Frust, im Sinne aller Spielerinnen und auch der Trainer den Hebel wieder umzulegen, nach dem Motto: Jetzt erst recht! Eigentlich ist es wie so oft Im Leben: erst drei Schritte vor, dann wieder zwei zurück. Niemals aufgeben!

Uli D., Eingereicht am 16.05.2011 um 15:34: Man war erstmals der nationalen Spitze auf den Fersen. Aber ich sehe zumindest schon mal in Ansätzen, dass man das Feld nicht kampflos hergeben will. Hoffentlich wird unser HSV in Sachen Frauenfussball aber nicht zum “Ausbildungsverein”.

André, Eingereicht am 16.05.2011 um 12:10: Ein wohltuend sachlicher Kommentar, der trotz des Wermittropfens “Wegfall HSV II” aufzeigt, dass die Abteilung Frauen-und Mädchenfussball hiervon durchaus auch profitieren kann. Freuen wir uns also jetzt schon auf eine neue, spannende Saison ! Danke, Kuddel !

Reiner, Eingereicht am 16.05.2011 um 11:47: Also, man sieht es geht auch sachlich und kritisch, wenn man das ganze Thema auch als Ganzes betrachtet. Ich hoffe, dass sich die ehrlichen Unterstützer jetzt auch als solche darstellen und beteiligen. Vielen Dank, Kuddel !

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