Jarchow und das liebe Geld

Torjäger FuxiKommentar/Kolumne von Fuxi

Carl-Edgar Jarchow ist 56 Jahre alt. Seit dem Aus von Bernd Hoffmann ist er kommissarischer Vorstandsvorsitzender des HSV. Was aber viel mehr über ihn aussagt, ist seine berufliche Laufbahn: Außenhandelskaufmann, Unternehmer – vor allem aber Bürgerschaftsabgeordneter der FDP, der er seit 2007 angehört. Zuvor war er Bürgerschaftskandidat für die rechtspopulistische STATT-Partei, zu deren Gründungsmitgliedern bekanntlich Wieder-HSV-Aufsichtsrat Jürgen Hunke gehörte und deren Mitglieder nach dem Ausscheiden aus der Bürgerschaft in großer Zahl zur nicht minder rechtspopulistischen Schill-Partei wechselten.

Für den folgenden Sachverhalt ist das durchaus wichtig zu wissen. Denn besonders seine Eigenschaft als Beisitzer des FDP-Landesvorstandes Hamburg offenbart also ein Weltbild, das für Leuchttürme und Lobbys ausgelegt ist – wie wir spätestens seit der „Mövenpick-Steuer“ wissen. Kurzum: Was kümmert mich der kleine Pöbel, nur mit den Großen kommt man persönlich weiter.

In diese Lesart passen auch die jüngsten Entscheidungen des Vorstandes. Die Zusammenstreichung des Frauenfußballetats habe ich bereits hinreichend kommentiert. Aber in dieses Bild fügt sich auch die Entscheidung des Interims-Vorstandes, die 25.000 Euro Geldstrafe für Frank Rosts öffentliche Äußerungen nicht ihrer ursprünglichen Bestimmung beim HSV-Mädchenfußball zuzuführen, sondern sie anderweitig für die Beschaffung früherer Pokale für das HSV-Museum (sic!) zu verwenden. Es ist ein Schlag ins Gesicht derer, die – anders als der gut bezahlte Vorstand – ihre Freizeit und Herzblut opfern und die Raute auf der Brust mit Stolz tragen, und nicht, weil sie ihr Gesicht so oft wie möglich in der Presse sehen wollen.

Die Reaktionen sind ziemlich eindeutig. Frank Rost, der gestern mit den Mädchen das Torhüterinnentraining veranstaltete, polterte bereits im Abendblatt (gedruckte Fassung: Ausgabe vom 16. Juni 2011, Seite 21):

„Es gab damals eine klare Absprache“, so Rost sauer, „und mir wurde zugesichert, dass der gesamte Betrag an die Mädchen-Fußballabteilung geht. Es ist traurig, dass sich an solche Vereinbarungen nicht gehalten wird.“

In der Kommentarspalte des Abendblatt-Blogs „HSV-Blog“ von Dieter Matz sind die Meinungen auch recht eindeutig. „Gravesen“ meckert beispielsweise: „€ 25.000. Das ist ein Skandal, Herr Jarchow !“. Später regt er an: „Ich schlage vor, Herr Jarchow stellt € 25.000 von seinem Interims-Gehalt zur Verfügung und rundet den Betrag für die Mädels auf € 50.000 auf. Und zwar pronto.“ Eine Forderung, die die Torjäger rückhaltlos unterstützen.

Auch „Eiche Nogly“ ist kaum begeistert. „An Absprachen sollte man sich halten! Das hätte der neue Vorstand so übernehmen müssen, keine Frage! Das ist charakterlich schwach von Jarchow“. Und „Billy Bremner“ teilt meine Lesart: „Jarchow ist Polit-Opportunist. Nichts Gerades wirst du bei ihm finden.“ und erweitert den Kreis auf Noch-Vorstand Bastian Reinhardt: „Typen wie Reinhardt, die erst die Verwendung der Gelder mitbeschließen und jetzt dreist etwas Anderes verkünden, müssen raus aus diesem Verein! Ich kann diesen Großsprecher nicht ertragen. Der kotzt mich an!“. Auch im Forum der HSV-Supporters kommt die Entscheidung schlecht an. So merkt „HSV Adonis“ an: „Stark! Wegen 25.000 EUR kann man sich mal schnell schlechte Publicity holen. Davon hatten wir zuletzt ja nicht genug…“.

Nicht, dass man auf die Stimmen der Supporters besonders viel geben sollte – waren es doch gerade sie, die sich von Jürgen Hunke und Co. instrumentalisieren ließen, um einen Hoffmann feindlich gesonnenen Aufsichtsrat zu installieren, der dann „von Hunkes Gnaden“ Jarchow zum kommissarischen Vorsitzenden bestimmte. Und die es zu verantworten haben, dass und Jarchow vermutlich die nächsten drei Jahre erhalten bleibt. Was das für die Zukunft des HSV-Frauen- und Mädchenfußballs, vielleicht aber auch für den gesamten Breitensport im Hamburger Sport-Verein von 1887 e. V. bedeuten könnte, kann man nun ungefähr erahnen. Die Mehrheit der Supporters ist gegen eine Ausgliederung und hat sich in der Vergangenheit gegen Planspiele Bernd Hoffmanns in diese Richtung mit Händen und Füßen gewehrt. Aber ist es tatsächlich besser, wenn Vorstand und Aufsichtsrat mit Ausnahme des Leistungsfußballs einen ganzen Verein rauszuekeln versucht?

Angetreten war Carl-Edgar Jarchow mit dem Versprechen, Ruhe in den Verein bringen zu wollen. Er wolle auf Kontinuität setzen. Es gehe nicht um große Einschnitte, sondern um neue Fronten. Was das heißt, wissen die Aktiven und Verantwortlichen beim Frauen- und Mädchenfußball im HSV nun ganz genau: Keine großen Einschnitte – für den Profifußball. Neue Fronten – im vereinsinternen Krieg ums Überleben der Abteilungen…

Einen besonderen Spin bekommt die ganze Sache allerdings dadurch, dass sich Carl-Edgar Jarchow selbst zum politischen Blender und Märchenonkel degradiert hat. Auf der Webseite der FDP – so die Hamburger Morgenpost – habe er folgendermaßen um Wählerstimmen geworben:

„Sagen was man tut, tun was man sagt! Politik und damit in erster Linie die Politiker müssen mehr Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit vorleben.“

Alles klar, Herr Jarchow…

Aber nicht nur er sagt nicht das, was er wirklich denkt. Ich muss mich in diesem Kommentar mit meiner Meinung über den Vorstandsvorsitzenden des HSV schon stark zurückhalten. Was ich wirklich denke, ist nicht veröffentlichungstauglich für ein Projekt wie dieses, sondern in vielerlei Hinsicht wahrscheinlich justiziabel. Ich muss weder meinen guten Ruf noch die Torjäger damit beschmutzen. Nicht wegen eines verlogenen, eitlen Selbstdarstellers, dem alle, die für die Medien nur eine untergeordnete Rolle spielen, schlichtweg scheißegal sind…


Kommentare:

Thorsten Wolff, Eingereicht am 20.06.2011 um 11:02 Antwort für: Peter F.: ja sicher gab es einen Plan wie das Geld investiert werden sollte. Für die Amateurabteilung sollte bei unseren Bekleidungslieferanten ein Konto in der Höhe des Betrages eingerichtet werden auf dem dann Bestellungen wie z.B.: Trikotsätze gegenlaufen. Dies hätte dann auch über mehrere Saisons die Ausstattung der Mädels sicher gestellt. Nun musste man kurzfristig umplanen.

peter f., Eingereicht am 17.06.2011 um 21:32: Wer ist eigentlich die “Mädchenfussballabteilung” für die das Geld bestimmt war ? Das war doch aufgeteilt in Amateurabteilung und 1.B/1.C = BuLi ?

Hat da überhaupt jemand einen Plan gehabt, wie das Geld hätte “investiert” werden sollen ???

Bastoz, Eingereicht am 16.06.2011 um 17:27: Das sind blutsauger, ja sager und keine ahnung von Mädchen und Frauen Fussball. Frank Rost hut ab und danke.

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