WM 2011 – Tag 4

Am vierten Tag der Weltmeisterschaft griffen auch die vier Mannschaften der Gruppe D ins Geschehen ein. In Möchengladbach und Augsburg gab es Spiele, in denen die Rollen von Favorit und Underdog eigentlich klar verteilt schienen. Doch so klar war es dann doch nicht – eine Erkenntnis, die sich bisher in allen Gruppen durchgesetzt hat. Woran liegt es, dass in den Auftaktspielen die ganz klaren Ergebnisse bisher völlig ausblieben? Deutschlands 11:0 gegen Argentinien 2007 mal außen vor gelassen, schlug Australien Ghana vor vier Jahren mit 4:1, Brasilien putzte Neuseeland 5:0. 2003 fielen in den USA in den ersten acht Spielen 27 Tore, in diesem Jahr sind es gerade 14. Überträgt sich die „German Angst“ auf den Rasen, in Form von Angst vor dem Gegentor? Oder ist die Fußballwelt einfach nur enger zusammengerückt?

Im ersten Spiel zwischen Norwegen und Äquatorial-Guinea standen sich zunächst nur indirekt zwei Bundesligaspielerinnen gegenüber: Jenas Genoveva Anonma, die in der neuen Saison für Turbine Potsdam auflaufen wird, war von Beginn an dabei, für Wolfsburgs Leni Larsen Kaurin begann die WM auf einem Sitzplatz. Nach 30 Sekunden gab Anonma den ersten schwachen Schuss auf das norwegische Tor ab. Auf der anderen Seite fing Norwegen schnell einen Abstoß ab, durch einen Fehler von Bruna kam Emilie Haavi frei zum Abschluss und zielte etwas zu genau: Pfosten (2.)! Nach einem Kopfball-Doppelpass mit Madeleine Giske, Tochter des ehemaligen Bundesligaprofis Anders Giske, hatte Isabell Herlovsen freie Schussbahn, knallte die Kugel aber aus elf Metern halbrechts drüber. Die Afrikanerinnen probierten es meist mit Fernschüssen. Die bis dahin beste Chance hatte Äquatorial-Guinea nach 20 Minuten, als Dulcia auf Pass von Anonma in die Spitze stieß und ihr Torschuss nur von Haavi geblockt wurde. Äquatorial-Guinea wurde mutiger. In der 22. Minute zog Anonma wieder aus 30 Metern ab und zwang die norwegische Torhüterin zur Eckenabwehr. Von Norwegen kam in dieser Phase wenig, sie hatten große Probleme mit dem wuseligen Afrikameisterschaftsvize, auch wenn der sich kaum klare Torszenen herausspielen konnte. Die Distanzschüsse zeugten aber von norwegischer Sorglosigkeit. Die Skandinavierinnen warteten auf Fehler wie den schlecht getimten Pass von Bruna auf Vania, den Elise Thorsnes abfing. Von der Strafraumgrenze zog sie aufs kurze Eck ab, und Miriam wehrte sicherheitshalber zur Ecke ab (33.). Beide hatten weitere kleine Möglichkeiten. Erst die Chance von Thornsnes nach 43 Minuten war besser: Marita Skammelsrud Lund schickte sie links, im Strafraum dribbelte sie Vania aus, aber Carolina blockte den Schuss aus neun Metern zur Ecke, verhinderte Schlimmeres. Nach einem Stellungsfehler von Nora Holstad Berge gewann Anonma ein Laufduell bis in den Strafraum, schoss dann aber die norwegische Keeperin ab, und es blieb beim 0:0 zur Pause. Und Norwegen war damit noch nicht mal schlecht bedient.

Zur zweiten Halbzeit wechselten beide Teams. Madeleine Giske, knapp 150 Kilometer von Augsburg entfernt in Nürnberg geboren, blieb ebenso in der Kabine wie die Afrikanerin Christelle. Bei Norwegen kam dafür Lene Mykjåland, bei Äquatorial-Guinea Laetitia. Ein Schlenzer von Thorsnes eröffnete den zweiten Durchgang und brachte Miriam in Verlegenheit, der Ball strich eineinhalb Meter am Kasten vorbei. Norwegen schien jetzt etwas engagierter, aber weiter ohne tragendes Konzept. Vor allem die Standards verpufften wirkunglos. Ein Ballverlust von Bruna gegen Thorsnes brachte immerhin Gefahr. Nach ihrer Ablage war Herlovsen in guter Position frei – und schoss aus zwölf Metern bei freier Schussbahn kläglich vorbei (52.). Auf der anderen Seite entledigte sich Anonma nach Zuspiel der gerade eingewechselten Chinasa ihrer Gegenspielerin mit einer Körpertäuschung, war im Strafraum frei vor Hjelmseth und schob doch rechts daneben (53.). Aber immerhin lag ein Tor jetzt in der Luft. Aber für wen? Herlovsen setzte sich bis in den Strafraum durch, wurde abgedrängt und legte zurück. Die Afrikanerinnen hatten in der Mitte Mykjåland übersehen, doch ein Abwehrbein und der Außenpfosten verhinderten den norwegischen Torerfolg (55.). Nach einer Stunde musste Herlovsen raus. Die eingewechselte Cecilia Pedersen verpasste die Führungschance in der 62. Minute, als sie nach Flanke von Trine Rønning den Kopf nicht richtig hinter den Ball bekam. Vier Minuten später setzte Anonma einen Freistoß aus 30 Metern über den Kasten von Hjelmseth. In der 70. Minute kam dann Leni Larsen Kaurin für die verletzte Lene Mykjåland ins Spiel. Ein Wechsel mit Folgen. Sekunden später hatte wieder Anonma die Möglichkeit zum 1:0, als sie sich im Strafraum gegen Hedda Gardsjord behauptete und im Fallen nur Zentimeter am langen Eck vorbei schoss. Äquatorial-Guinea tat in dieser Phase mehr für das Spiel. Aber Norwegen legte wieder zu. In der 81. Minute lenkte Miriam einen Schuss von Pedersen über die Latte. In der 84. Minute war es soweit. Larsen Kaurin wurde rechts geschickt, gab von der rechten Torauslinie zurück, Miriam war noch dran, aber Haavi schob dahinter zum 1:0 ein. Eine zwingende Ausgleichsmöglichkeit bekam Äquatorial-Guinea danach nicht mehr, und so wendete Norwegen den Fehlstart doch noch ab.

Im letzten Gruppenspiel der ersten Runde griffen Brasilien und Australien ins Geschehen ein. In der Startelf der Südamerikanerinnen standen die fünfmalige Weltfußballerin von 2006-2010, Marta, und die frühere Bundesligaspielerin Cristiane (33 Spiele und 13 Tore für Turbine Potsdam und VfL Wolfsburg). Die erste Chance hatte aber Australien durch einen Freistoß von Tameka Butt über das Tor (7.). Auf der anderen Seite lenkte Rosana per Kopf eine abgefälschte Marta-Flanke in Uwe-Seeler-Manier auf das Tordach (9.). Es entwickelte sich ein Duell auf Augenhöhe mit wenigen Chancen. Brasilien versuchte viel über Marta, war dadurch leicht auszurechnen. Cristiane hatte die australische Abwehr gut im Griff. In der 23. Minute spielte Elise Kellond-Knight einen langen Ball in den Strafraum, den Kyah Simon verarbeitet und aufs kurze Eck schlenzte. Aber Andreias Flugparade war eher für die Galerie als Notwendigkeit. Australien hielt frech dagegen, während Brasilien die Impulse fehlten. Nur durch einen Fehler der australischen Rechtsverteidigerin kam Marta nach 26 Minuten links durch und flankte zurück. Cristiane rutschte beim Schuss weg, doch der Ball kam genau zu Rosana. Die lupfte aber aus sieben Metern über das Tor. „Acidente“ nennt man das auf Portugiesisch – Zufall. Auf der anderen Seite vergab Lisa de Vanna nach einem dicken Bock von Aline kläglich. Vor dem australischen Strafraum brachte ein Stockfehler von Caitlin Foord die Chance für Marta, aber die verzog (35.). Brasilien schien etwas zuzulegen, nach Rückpass von Maurine schoss Cristiane in der 37. Minute drüber. Doch zur Pause blieb es beim – und das war so nicht erwartet worden – durchaus leistungsgerechten 0:0.

Bis zur 54. Minute sah Halbzeit zwei wie der erste Durchgang aus. Dann kam Cristiane in der Mitte an den Ball. Sie kickte zweimal hoch, und Australien schaffte es nicht, zu klären. Dann köpfte sie den Ball zu Rosana, die mit der Fußspitze einem Tackling von Butt auswich und dann trocken aus 13 Metern zum 1:0 einschoss. Wer erwartete, dass Australien nun einbrechen würde, sah sich getäuscht. Zwar kam Brasilien durch Rosana zum nächsten Schuss, den Melissa Barbieri hielt. Aber Australien blieb bemüht, wenngleich Brasilien defensiv etwas bissiger war. Aber den Frauen vom fünften Kontinent fehlte diese individuelle Klasse, die bis dahin den Unterschied ausmachte. Dass Australien dennoch im Spiel blieb, lag zu einem guten Teil auch daran, dass die Südamerikanerinnen nicht wirklich als Mannschaft auftraten und folglich auch keine Dominanz ausübten. Ein Schlenzer von Cristiane vom rechten Strafraumeck, der einen Meter am Tor vorbei flog, gehörte schon zu den Highlights (72.). Doch für Australien sprang auch nicht viel mehr als harmloser Roller von Heather Garriock (77.) und ein ebenso ungefährlicher Schlenzer von Butt heraus (78.). In der 82. Minute schickte die eingewechselte Samantha Kerr Butt rechts hinter die Abwehr, doch ihre Flanke war zu ungenau, als dass Garriock hätte einköpfen können.Doch in der 87. Minute hatte de Vanna nochmal die Riesenchance, als Daiane einen langen Ball aus der australischen Hälfte untersprang und sie frei vor Andreia auftauchte. Doch sie hob den Ball klar über das Tor, vielleicht etwas überhastet. Die letzte Chance: McCulloms Eckball landete im Gewühl im Fünfmeterraum, ein letzter Schuss aus dem Hintergrund wurde abgeblockt, und dann war Schluss. Es blieb bei einem schmeichelhaften 1:0-Sieg für Brasilien, das sich im Turnierverlauf deutlich steigern muss, wenn es etwas erreichen will. Australien zeigte auf, wie man den Weltranglistendritten in Schwierigkeiten bringen kann: Mit Ballbesitz und konsequentem Zweikampfverhalten. Nur durch eine gute Aktion unterlag der Weltranglistenelfte.

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