Im bislang unansehnlichsten aller WM-Spiele konnte sich die deutsche Mannschaft am gestrigen Abend gegen Nigeria mit 1:0 durchsetzen und zog damit vorzeitig in die Runde der letzten Acht ein. Stellt sich nur die Frage, wer im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich, wo es um Platz eins geht, überhaupt noch gesunde Knochen zum Auflaufen hat? Dank einer katastrophalen Schiedsrichterin Cha Sung Mi aus Südkorea ist diese Frage so einfach gar nicht so leicht zu beantworten. Ein Opfer wurde Melanie Behringer vom 1.FFC Frankfurt vor heimischer Kulisse.
Die vom deutschen Trainer Thomas Obliers beratene Mannschaft Nigerias, so mochte man meinen, hatte sich offenbar vorgenommen, die allgegenwärtigen ethnischen Spannungen aus der Heimat auf dem Fußballplatz wiederzugeben. Ihre Gangart sprach jedenfalls dafür, und Schiedsrichterin Cha versuchte ihre dauerhafte Überforderung mit einem Spiel auf dieser Bühne durch ein geradezu eingestanztes Lächeln zu übertünchen. Neben denen, die deshalb übermäßig viel auf die Socken bekamen, waren vor allem die Zuschauer die Verlierer, denn für ihre im Schnitt sauteuren Karten bekamen sie nur einen Bruchteil an Fußball zu sehen, der diesen Namen auch verdiente. Und das, obwohl – oder gerade weil – es für Nigeria die letzte Chance auf die Viertelfinalteilnahme war. Dabei war der Auftakt vielversprechend: Nach zwei Minuten verlängerte Kim Kulig einen langen Ball von Linda Bresonik aus der eigenen Hälfte, Osinachi Ohale wähnte den Ball sicher, aber bevor die Torhüterin Precious Dede zugreifen konnte, spitzelte Simone Laudehr das Leder Richtung Tor. Von Dede prallte der Ball ab, an der Strafraumgrenze kam Behringer zum Nachschuss, der aber bei einer Verteidigerin landete. Nach 13 Minuten hielt Dede einen Distanzschuss von Kulig. Zwei Minuten später traf Celia Okoyino da Mbabi nach Querpass von Laudehr ins Tor, aber das Schiedsrichter-Trio hatte eine Abseitssituation erkannt – fälschlicherweise. In der Folge nahmen die Torchancen im gleichen Maße ab wie Nickelichkeiten und Fehlentscheidungen zu. Doch die Verletzung Melanie Behringers, die zu ihrer Auswechslung führte, passierte eher unglücklich. Alexandra Popp ersetzte sie. Nach einer halben Stunde hatte Nigeria die erste echte Chance durch einen Freistoß aus 30 Metern halblinks von Stella Mbachu, den Nadine Angerer im Nachfassen sichern konnte. Aber es lag nicht allein an der nigerianischen Spielweise oder der schwachen Spielleitung – auch die deutsche Mannschaft blieb vor allem in diesem ersten Durchgang weit unter ihren Möglichkeiten, beging viele vermeidbare Fehler und wirkte mit der Spielgestaltung vielfach überfordert. So war ein harmloser Freistoß von Kulig in der 41. Minute noch als Highlight zu werten. Auf der anderen Seite wurde es gefährlich, als Annike Krahn eine Freistoßflanke von Mbachu in die Mitte abwehrte und Ebere Orji aus gut 20 Metern links vorbei schoss (45.). Beide Teams wurden mit Pfiffen in die Halbzeitpause verabschiedet, und nicht ganz zu Unrecht war der Abpfiff des ersten Durchgangs eine Erlösung für die Menge.
Die zweite Hälfte wurde wahrlich „die Härte“, und es brauchte einen Sprung von Ohale in den Rücken von Popp, dass Schiedsrichterin Cha sich an die Bedeutung der Gelben Karte in ihrer Hosentasche erinnerte, nachdem zuvor die blasse Birgit Prinz ohne Aussicht auf Ballgewinn umgetreten worden war, ohne dass ihre Gegenspielerin dafür Konsequenzen zu spüren bekam. Kurz darauf musste Prinz dann für Inka Grings weichen und verließ den Platz sichtbar stocksauer. Eineinhalb Minuten später schlug Okoyino da Mbabi einen Freistoß von links auf den kurzen Pfosten. Grings‘ Verlängerungsversuch mit der Hacke wurde abgeblockt, bei Popps Direktabnahme vom Elfmeterpunkt standen Perpetua Nkwocha und Krahn im Weg, doch der Ball fiel Laudehr vor die Füße, und die fand mit ihrem Volleyschuss aus acht Metern die Lücke zwischen den Nigerianerinnen hindurch – 1:0 in der 54. Minute. Wer glaubte, dass das Spiel nun besser werden würde, sah sich getäuscht. Das Tor sorgte lediglich dafür, dass die deutsche Mannschaft mehr dagegen hielt, allen voran Kim Kulig verabschiedete sich sukzessive vom körperlosen Spiel. Nigeria fiel gegen die deutsche Defensive nicht viel ein. Aus über dreißig Metern verzog Nkwocha mit einem Verzweiflungsschuss in der 58. Minute. Immerhin entwickelte sich nach 64 Minuten eine gute Chance. Kulig lupfte den Ball in den Strafraum, Okoyino da Mbabi legte ab, doch Grings‘ Schuss wurde abgefälscht. Halblinks fiel er Garefrekes vor die Füße, doch im Fallen verunglückte die Direktabnahme aus zehn Metern und flog über den Kasten. Kulig hatte die Schnauze inzwischen gestrichen voll und packte zweimal fair die Grätsche aus. Als sie in der 74. Minute bei einem springenden Ball gegen Ikidi drückte, bekam sie eine Gelbe Karte – eine absurde Entscheidung angesichts dessen, was zuvor an Fouls von nigerianischer Seite passiert war. Mit gleichem Maßstab – der von dieser Schiedsrichterin jedoch kaum zu erwarten war – hätte Nigeria seit langer Zeit schon in Unterzahl agieren müssen. Und man wurde den Eindruck nicht los, dass dort höhere Mächte die Finger im Spiel hatten. Wer da an die Brüder Sapina und das „Café King“ in Berlin dachte, dem konnte man kaum böse sein, schon gar nicht, da sich mafiöse Strukturen bekanntlich bis in die Führungsetage der FIFA ziehen und den Gedanken des Sports seit Jahren bis Jahrzehnten in den Dreck ziehen. Derlei Gedanken konnte man reichlich nachgehen, denn mit Sport hatte das Geschehen auf dem Platz insgesamt wenig gemein, abgesehen von einem Schuss von Grings, den Dede erst im Nachfassen halten konnte (77.). Deutschland war dem 2:0 näher als die Afrikanerinnen dem 1:1, trotz des geringen Niveaus. Kulig fasste sich in der 79. Minute ein Herz und schoss aus 23 Metern knapp über das Tor. Es sollte die letzte Torszene eines zerfahrenen Trauerspiels sein, das dem Rahmen des Turniers unwürdig gewesen war.
Wie man es macht, zeigte am Vorabend Frankreich im Spiel gegen Kanada. Die Französinnen fertigten die ehemalige Kolonie mit 4:0 ab und sorgte für den deutlichsten Sieg dieser WM. In der 24. Minute ging Frankreich in Führung, als sich ein abgefälschter Schuss von Elise Bussaglia vor der herausstürzenden Torhüterin auf den Kopf von Gaetane Thiney senkte und diese über Erin McLeod hinweg zum 1:0 ins Netz schädelte. Vom Kurs Viertelfinale ließ sich Frankreich nicht mehr abbringen. Nach einem Abwehrfehler war es erneut Thiney, die aus 22 Metern abzog, und ihr leicht abgefälschter Schuss war unhaltbar für McLeod – 2:0 in der 60. Minute. Damit war sie auch die erste Torschützin des Turniers mit mehr als einem Treffer. Sechs Minuten später machte Caroline Abily freistehend per Kopf nach Ecke von Sandrine Soubeyrand mit dem 3:0 gegen sorglose Kanadierinnen alles klar. Kanadas beste Chance vergab Christine Sinclair nach einer schönen Einzelleistung von Jonelle Filigno. Den Endstand besorgte Elodie Thomis in der 83. Minute, als sie nach einem Steilpass von Louisa Necib den Ball an der herausgelaufenen McLeod vorbei legte und ins leere Tor schob. Frankreich ist damit wie Deutschland bereits in der K.O.-Runde. Ein Remis gegen den Gastgeber reicht ihnen im abschließenden Gruppenspiel zum Gruppensieg.
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Kommentare:
guggste, Eingereicht am 01.07.2011 um 13:59: Mit ihrem eingestanzten Lächeln überspielen Asiaten oft ihre Unsicherheit oder war es vielleicht der freudige Ausdruck beim Anblick einer neuen Kampfsportart.
Klaus Nitz, Eingereicht am 01.07.2011 um 12:44: Danke Fuxi, für den wirklich sehr treffenden Bericht !