Silvia Neid wollte drei Monate Zeit, um ihre Mannschaft auf die WM vorzubereiten. Drei Monate ohne Wettkampfpraxis. Dafür opferte sie die Attraktivität der Liga, den Champions League-Titel von Turbine Potsdam – und offenbar nach den gezeigten Leistungen auch den WM-Erfolg selbst. Deutschland ist im Viertelfinale der WM im eigenen Land gescheitert, und dieses Scheitern ist einzig das Scheitern der Bundestrainerin. Sie hat viel gefordert, aber sie hat nichts geliefert.
In der ersten Halbzeit hatte Deutschland gegen Japan Vorteile, schaffte es aber nicht, die sich bietenden Gelegenheiten in Tore umzumünzen. Kim Kulig schied schon nach fünf Minuten mit einer Knieverletzung aus, aber daran lag es nicht. Deutschland spielte gut, bis zur Pause. Im zweiten Durchgang wendete sich das Blatt. Japan wurde stärker, hatte sich offenbar die Kräfte besser eingeteilt, denn Deutschland wirkte schon sehr früh platt. Bezeichnend, dass drei Monate Vorbereitung nicht ausreichten, um die Mannschaft für 90 Minuten im vierten Spiel fit zu machen. Torlos ging es in die Verlängerung. Und da fand Homare Sawa dank eines Stellungsfehlers von Saskia Bartusiak, die von der neuen Leipziger Trainerin Claudia von Lanken in einem Interview als „Vollkatastrophe“ bezeichnet worden war, Karina Maruyama, die ins lange Eck einschoss und das Spiel in der 108. Minute entschied. Die deutsche Elf spielte über weite Strecken eindimensional mit hohen Bällen in den Strafraum, ohne Erfolg. Die beste Ausgleichsmöglichkeit hatte noch Melanie Behringer vom linken Strafraumeck. Es reichte nicht. Und das WM-Märchen ist vorbei. Wer Weltmeister wird, dürfte Fußballdeutschland nun weitgehend egal sein. So, wie die Bundesliga, die im August beginnt. Der Flurschaden ist kaum zu ermessen. Nicht egal sein wird jedoch die Personalie Silvia Neid, die kurz vor der WM noch mit einem um zwei Jahre bis 2016 verlängerten Vertrag ausgestattet wurde. Warum – diese Frage wird sich Theo Zwanziger gefallen lassen müssen, denn der Vertrag lief ohnehin noch zwei Jahre. Durch die Verlängerung dürfte sich die Abfindung für Neid deutlich erhöht haben. Tragisch ist das Aus für Birgit Prinz. Ihre internationale Karriere ist nun beendet – mit der Szene, in der sie gegen Nigeria jähzornig vom Platz stapfte. Kein ehrenwerter Abgang für diese Verdienste… Sie ist nun nur noch Bundesligaspielerin. Und Kim Kulig ist ab sofort Frankfurterin.
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Kommentare:
guggste, Eingereicht am 11.07.2011 um 17:54: Richtig Fuxi, Spielpraxis ist durch nichts zu ersetzten. Aber trotzdem wundert mich die exorbitante Fehlpassquote aller Mannschaften. Wenn das in den letzten Spielen nicht anders wird, kann ich mir keinen positiven Effekt auf die Buli vorstellen, zumal Bezugspunkt Germany ein Reinfall war.
Yeti, Eingereicht am 10.07.2011 um 22:45: So gesehen gebe ich dir ja recht. Aber sind wir mal Ehrlich, selbst wenn Deutschland Weltmeister geworden wäre, hätte es keine Positive Auswirkung auf die Bl gehabt.
Die Medien werden Maximal noch 1 Monat nach der Wm darüber berichten. Wahrscheinlich eher nur in der ersten Ausgabe nach dem Endspiel. Und dann wäre alles für die Medien wieder uninteressant.
Fuxi, Eingereicht am 10.07.2011 um 22:22 | Als Antwort auf Yeti: Ich meinte nicht die vielen Abgänge und das Streichen der 2. Mannschaft. Dass der HSV unter der WM und dem Abschneiden der deutschen Mannschaft leiden wird, liegt daran, dass drei Monate vor der WM kein Pflichtspielbetrieb stattfand, also die leicht HSV-affinen Zuschauer drei Monate Zeit hatten, sich anderweitige Beschäftigungen zu suchen, denn der Bundesliga-Cup war weder zugkräftig noch als Wettbewerb ohne “WM-Stars” ernstzunehmen. Und von einem möglicherweise bis in den Saisonstart reichenden WM-Hype bleibt, der den einen oder anderen Event-Zuschauer doch noch zusätzlich im grauen Bundesliga-Alltag ins Wolfgang-Meyer-Stadion hätte spülen können, ist nach dem vorzeitigen Aus nun definitiv auch nichts mehr übrig. Das betrifft nun alle 12 Bundesliga-Vereine. Einschließlich des HSV.
Yeti, Eingereicht am 10.07.2011 um 22:05: Naja, das der HSV darunter leidet sind wohl eher selbstgemachte Probleme. da würde ich mich eher bei Jarchow und Konsorten beschweren. Das dem HSV soviele Spielerinnen weglaufen und lieber in der zweiten Liga in Oldesloe, Cloppenburg oder Bremen spielen als beim HSV in der 1. Liga hat ja nichts mit mit der Wm zutun. Wie ich schon geschrieben hate, sage ich nicht das Neid alles richtig gemacht hat.
Ich weiss aber nicht, ob sie die Macht gehabt hat, die Sponsoren Termine zu unterbinden? keine Ahnung wer da alles die hand aufgehalten hat ausser den Beratern? Da werden die Verbände sicherlich auch gut kassiert haben. Einersteits ist es ja das Traurige, das es im Frauenfussball auch immer mehr um Geld geht. Ich habe Angst, das die Unfairnis und Schauspielerei wie bei den Männern wird. mfg Yeti
Fuxi, Eingereicht am 10.07.2011 um 21:13 | Als Antwort auf Yeti: Der Druck, der Druck – ich kann’s nicht mehr hören… Die WM ist das Turnier der besten 16 Mannschaften der Welt. Wer zweimal Weltmeister wird und Europameister, muss mit dem Anspruch klar kommen, zu den Favoriten zu zählen. Was auf die Spielerinnen einprasseln würde, war doch von vornherein abzusehen. Die WM ist IMMER ein Event, und wenn man ihn damit bewirbt, dass man selbst den Anspruch hat, zum dritten Mal in Folge Weltmeister zu werden, dann doch erst recht, zumal sie dieses Mal eben nicht parallel zur Männer-Bundesliga lief und nicht in einem fernen Land. Da gehört es zu den Aufgaben der Bundestrainerinnen, in den drei Monaten, die sie sich genommen hat, die Spielerinnen genau darauf vorzubereiten. Wenn sie das nicht gemacht hat, dann hat sie ihren Job nicht gemacht!
Vergiss aber bitte nicht, dass es nicht der DFB ist, der Sponsorentermine macht. Verdienen tun daran neben den Spielerinnen vor allem die Berater wie z.B. Bajramajs Berater Ness. Ihre Vermarktung geht auf ihn zurück.
Neid hat für diese WM viel geopfert: Die Attraktivität der Bundesliga und den möglichen Schubeffekt durch das Turnier (durch die lange Pause einerseits, durch den Misserfolg andererseits), den CL-Titel Turbine Potsdams – und der Flurschaden ist jetzt angerichtet. Dieser trifft vor allem die Vereine, also auch den HSV. Und jetzt kann man nicht so tun, als wäre nix gewesen und das sei alles nur Pech und externe Einflüsse. Damit tut man dem deutschen Frauenfußball wahrlich keinen Gefallen. Zumal die Gelegenheit, das zu korrigieren, allerfrühestens in zwei Jahren kommt, denn das olympische Turnier ist ja ebenfalls verpasst. Und selbst die Qualifikation zur EM in Schweden sehe ich noch lange nicht als gottgegeben an. Mit dem Fußball der Nationalelf, der fatal an den Antifußball der letzten zwei Jahre bei den HSV-Profis erinnerte, gewinnen wir nicht zweimal gegen die Schweiz oder Spanien. Vor allem nicht, wenn Neid mehr oder weniger das Ausscheiden an der 20-jährigen, 16-maligen Nationalspielerin Alexandra Popp festmacht…
Yeti, Eingereicht am 10.07.2011 um 20:52: Moin, @ Fuxi, Ich gebe dir ja in soweit recht, das Neid nicht alles raus geholt hat was möglich war. Aber der Druck, der für die Mädels in dieser Dimension neu war, die Berichterstattung der Medien, die auch oft geschrieben haben, das Frauenfussball ja wesentlich schlechter ist als Männerfussball. Die “Hetzjagd” gegen Prinz. Und was vielleicht die größte negativste Wirkung hatte, waren die Promotion Auftritte vor der WM. Da wird Lira mal eben mehr zur Werbefigur getrieben als das sie Fussball spielen konnte und man sehe die ganzen Werbeclips für die Allianz oder Daimler. Ich glaube nicht das Neid das veranlasst hat, sondern eher Zwanziger, der DFB oder die FIFA. Das wichtigste war ja das das Geld reinkommt. Mehr Interessiert doch den DFB und die FIFA nicht. mfg Yeti
Peter, Eingereicht am 10.07.2011 um 08:39: Deutschland ist im WM-Viertelfinale an Japan gescheitert. Zu planlos spielten die deutschen Frauen, selbst die sonst so gefährlichen Freistöße und Eckbälle brachten nichts ein. Die Fans sind erschüttert, das Turnier verliert seine Hauptattraktion.
Reiner: Eingereicht am 10.07.2011 um 08:14: Es hat von Anfang an nicht gestimmt. In keinem Gruppenspiel wurde der Sieg erspielt, sondern “erwürgt”, die Abwehr ein ständiger Unruheherd, keine Spielgestaltung im Mittelfeld und vorn viele Zufallsaktionen. Dazu die ganzen Ablenkungsaktionen in der Vorbereitung durch Medien u.a. Hamburger Abendblatt, das einer Sympathie für den Frauenfussball absolut unverdächtig ist, die vielen Werbeaktionen u.a.m. Die Bundesliga mußte Mitte März (!) aufhören und die Spielpraxis ging völlig verloren. Die Quittung für diese vielen Fehler ist jetzt da.
Fuxi, Eingereicht am 10.07.2011 um 01:43 | Als Antwort auf Yeti: Die psychologlische Vorbereitung auf den Hype und den Druck gehört vor einer WM im eigenen Land dazu. Aber nun alles auf den Hype zu schieben, ist falsch. Fakt ist nun einmal, dass 18 von 21 Spielerinnen über drei Monate keinerlei Praxis im Wettkampfverhalten hatten. Italien ist nicht voll eingestiegen, als ginge es um etwas, ebensowenig die Niederlande. Und die drei Tore gegen Norwegen fielen auch erst, als die Norwegerinnen eine B-Elf auf dem Feld hatten, einschließlich Torhüterin. Die drei Spielerinnen, die im Wettkampf gefordert waren, kamen mit dem Gefühl einer unnötigen Niederlage im CL-Finale in den Kader, die nicht hätte sein müssen, weil die drei Akteurinnen ebenfalls keine durchgehende Wettkampfpraxis hatten und in der Zeit auch nicht mit Turbine im Bundesligacup aktiv waren, bei dem ja ebenfalls keine Ernsthaftigkeit zu erkennen war. Das waren verdammt lange drei Monate “Urlaub” (in der Zeit bis Mai fanden auch nur punktuell Vorbereitungslehrgänge statt). Drei Monate, die Silvia Neid explizit verlangt hat!
Und was soll das für eine Vorbereitung sein, wenn Spielerinnen im vierten WM-Spiel (und im siebten seit dem 13.3. überhaupt!) nach 80 Minuten schon anfangen zu schnaufen wie ein Amateur beim Zieleinlauf eines Marathons? Das gehört auch zu den Aufgaben einer Bundestrainerin, vor allem binnen drei Monaten Vorbereitungszeit: Sicher zu gehen, dass die Spielerinnen zu einhundert Prozent fit sind!
Und das zog sich durch die gesamte WM. Sie hat es nicht geschafft, ihre Mannschaft auf den Punkt vorzubereiten. Das beweisen die Spiele gegen Kanada und Nigeria, die zweite Halbzeit gegen Frankreich und auch dieses gegen Japan. Sobald ein Gegner diszipliniert und unbequem ist, kommt die Mannschaft nicht damit zurecht.
Auf eines will ich auch noch hinweisen: 2003 fand das erste WM-Spiel am 20. September gegen Kanada statt, da wurden vorher drei Bundesligaspieltage absolviert – Deutschland wurde (auch deshalb) Weltmeister. 2007 startete die WM-Vorrunde am 10. September gegen England. Zuvor fanden zwei Bundesligaspieltage statt. Deutschland wurde erneut Weltmeister. 2003 mussten sogar 11.000 Kilometer Anreise bewältigt werden, 2007 waren es 9.000 Kilometer. Dieses Jahr war die Anreise geringfügig kürzer…
Yeti, Eingereicht am 10.07.2011 um 00:39: Moin, alleine Neid die schuld zu geben ist Blödsinn.
Soll sie die Tore schiessen? Was kann sie dafür, wenn die Stürmerinnen zu Dämlich sind das Tor zu treffen??? Der gegentreffer gegen Japan war auch Teilschuld von Angerer, muss sie so auf der Linie kleben?
Ich denke das die Mädels insgesammt von dem ganzen Rummel und Medieninteresse “Erdrückt” wurden. Und die Medien haben Deutschland ja den WM Titel schon vor der Wm gegeben. Der Druck war wohl etwas zu Hoch.
Man schaue sich alleine Lira an, die mehr Werbeauftritte hatte als Training. Kein wunder das sie ao schlecht wurde. Neid hätte sicherlich mehr raus holen können, aber ihr die alleinige Schuld zu geben ist Dumm und ein wenig zu einfach. mfg Yeti