Nein, die Glaskugel wollte bei niemandem große Hoffnung verbreiten. Die Abteilung Attacke bei der Dritten glänzte durch Abwesenheit, inklusive aller Torschützinnen aus der Auftaktpartie gegen die FSV Harburg. Am meisten schmerzten die Ausfälle von Melanie Aumüller, Anna-Lena Lütkemüller, Michelle Porsch und Claudia Teixeira Pinto, wobei sich Letztere immerhin über ihr Nationalelfdebüt in der portugiesischen U19 freuen durfte. Aber mit diesem Quartett fiel fast die komplette Offensive aus. Richten sollten es Bianca Kleberc und Patricia Zimmermann, beide im Vergleich zur Vorsaison mit einem Sprung um zwei Spielklassen aus der Bezirksliga hochgestuft. Ohne die drei Regionalliga-Aushilfen Katrin Schwing, Songül Aydin und Carolin Reiß hätte die Mannschaft von Mac Agyei-Mensah und Thorsten Wolff zu zehnt und ohne Torfrau dagestanden. Was also sollte Hoffnung machen gegen den Vorjahressechsten? Zumal Duwos Routinier Birte Schulz, in der Vorsaison mit 15 Toren beste Wohlstedterin auf Rang fünf der Torjägerliste, ebenso dabei war wie die dreifache Torschützin von Duwos Auftaktspiel in Nienstedten, Annabelle Aust.
Es sollte sich schnell zeigen, dass die Dritte des HSV trotz Understatement des Gastgebers vor dem Spiel dem druckvollen Spiel der Blauen nicht gewachsen war. Die Rothosen begannen nervös und kamen kaum aus der eigenen Hälfte. Allerdings gelang es ihnen mit etwas Glück, zunächst die größten Gefahren vom eigenen Tor fernzuhalten. So hatte Aust per Freistoß aus 28 Metern erst nach 17 Minuten die erste Chance der Platzherrinnen, aber der ging weit vorbei. Haariger wurde es zwei Minuten später. Schwing spielte einen Ball rechts raus, der aber ging schnell verloren. Aust spielte von links quer auf Sabrina Müller, die vor Schwing sofort aufs Tor spitzelte. Das Leder flog knapp über die Latte. Nochmal Glück gehabt.
Aber wer sein Glück herausfordert, wird schnell enttäuscht. So in der 21. Minute. Johanna Karrenbauer hatte Birte Schulz nicht folgen können und rechts an der Strafraumgrenze zu Fall gebracht. Den Freistoß flankte Aust in die Mitte, am zweiten Pfosten flog Tina Göpfert heran und versenkte per Kopfball gegen die Laufrichtung von Schwing zum 1:0.
Zu diesem Zeitpunkt ging die Führung für Duwo in Ordnung, auch weil sie körperlich deutlich überlegen waren. Nicht so sehr spielerisch, aber beim HSV klappte gar nichts, nicht einmal eine vernünftige Ballverarbeitung. In dieser Form waren sie mit Gegner und Spiel stark überfordert. In der 23. Minute setzte sich Katrin Nikolai rechts durch und flankte auf Aust. Zwischen ihr und Karrenbauer flipperte der Ball kurz hin und her, sprang wieder vor die Füße von Aust, und die versuchte, Schwing aus acht Metern zu überwinden. Die Torhüterin aber hielt ihr Team mit einer Beinabwehr im Spiel. Eine knappe halbe Stunde war gespielt, und die Probleme des HSV wurden nicht kleiner. Mit vielen Fehlpässen machten sie sich das Leben selbst schwer. Nach einem solchen schickte Müller von der Mittellinie Schulz steil. Die war schneller als Tini Witte, lief frei auf Schwing zu und zog flach aus 13 Metern ab. Aber die in der Abwehrbewegung gut aufgelegte Keeperin der Rothosen hatte die Ecke geahnt, tauchte ab und griff bombensicher zu (28.). Durchatmen!
Was war mit dem HSV? Die erste „Chance“, wenn man die Szene mal mit der blau-weiß-schwarzen Brille aufwerten darf, bestand in einer harmlosen, hastig abgeschlossenen 27-Meter-Bogenlampe von Songül Aydin, die hoch rechts am Duwo-Kasten vorbei flog und Torhüterin Tanja Sierk höchstens durch das Ballholen einen erhöhten Pulsschlag verschaffte. 32 Minuten waren da vorbei. Zwei Minuten später zeigte Duwo, wie man eine Abwehr ausnimmt, als Torschützin Göpfert, die 2001 einmal für den 1.FFC Frankfurt in der Bundesliga spielte, Schulz kurz freispielte. Doch deren Abschluss mit dem Außenrist war zu schwach, um Schwing vor Probleme zu stellen. Man konnte beinahe den Eindruck gewinnen, als wären die Gastgeberinnen über die sich bietenden Großchancen und die Fehler in den Reihen der Gäste am allermeisten überrascht. Im Abschluss fehlte Duwo jedenfalls die Konzentation. So auch in der 40. Minute, als Göpfert Karrenbauer überrannte, das Leder aus 12 Metern aber frei über die Querlatte nagelte.
Kurz vor dem Seitenwechsel aber war da plötzlich der HSV, als Duwo anscheinend die Luft ausging. Chiara Ernst bekam den Ball auf dem linken Flügel und marschierte zur Grundlinie. Dort dribbelte sie leichtfüßig an Ex-Rothose Birka Edler vorbei und suchte in der Mitte eine Anspielstation. Doch sie fand keine, die genau dorthin nachgerückt war, und der Ball glitt unberührt durch die Reihen. So blieb es beim 1:0 für Duwo, das inzwischen hochverdient war. Aber die Gastgeberinnen hatten zu viele Chancen, ja geradezu Einladungen liegengelassen, um höher zu führen. Der HSV präsentierte sich 45 Minuten lang fahrig, erst nach einer halben Stunde besser und gegen Ende sogar konstruktiv. Das Passspiel im Allgemeinen war jedoch katastrophal und trieb das Trainerduo an der Seitenlinie in die Verzweiflung. Daran änderten nicht mal Reiß und Aydin etwas, im Gegenteil: Sie passten sich dem Niveau ihrer Nebenleute nahtlos an.
Zum zweiten Durchgang kamen zwar alle 22 Akteurinnen wieder so aufs Feld, wie sie es verlassen hatten, aber eine Umstellung gab es beim HSV doch: Auf dem rechten Flügel tauschten Rechtsverteidigerin Anna Peters, die sehr unsicher wirkte und die meisten unnötigen Fehlpässe fabrizierte – das Trainerduo zählte neun allein in Durchgang eins -, und rechte Flügelspielerin Carolin Reiß die Plätze. Aber auch die Halbzeitansprache hatte deutliche Wirkung hinterlassen, denn im zweiten Durchgang sollte der HSV ein ganz anderes Gesicht zeigen. Plötzlich waren sie aggressiv, bissiger, störten Duwo entschiedener und schafften es, den Platzherrinnen den Schneid abzukaufen. Einziges Manko: Sie blieben komplett harmlos. Nur Sekunden nach Wiederanpfiff erwischte Zimmermann einen Fehlpass Duwos im eigenen Strafraum nicht richtig, und so kullerte der Ball in die Arme von Sierk.
Die Partie wurde zunehmend zerfahrener, und bei Duwos Trainer Ulrich Freundenberger wuchs entgegen seinem Namen die Unzufriedenheit. Er schien zu spüren, dass dem HSV lediglich Genauigkeit und etwas Antizipation fehlte, um seinem Tor gefährlich werden zu können. Immerhin stimmte bei den Rauten im zweiten Spielabschnitt die Zweikampfbilanz. Sogar so sehr, dass Gesche Israel nach einem vermeintlichen Foul Patricia Zimmermann mit „Bist Du bescheuert?“ anraunzte und sich vom eher mäßigen Schiedsrichter Haude den Gelben Karton abholte.
Der HSV versuchte, neue Impulse zu setzen. Gefragt waren schnelle Pässe in die Spitze. Für die sollte nun Jasmin Lüdemann sorgen, die hinter die nun einzige Spitze Zimmermann rückte, um sie mit Zuspielen zu füttern. Dafür ging Bianca Kleberc raus, deren Qualitäten eher in der Durchschlagskraft denn im Sprint liegen. Die Begegnung war inzwischen beinahe gekippt, sah völlig anders aus als in Halbzeit eins: Der HSV drückte, hatte aber weiterhin keine Chancen. Und Duwo präsentierte sich konterschwach, hatte aber Tormöglichkeiten. Nach 68 Minuten gab es die erste richtige Gelegenheit, als Alina Ogundipe eine Freistoßflanke von Aust abwehrte und Edler aus 30 Metern volley abzog. Schwing ging auf Nummer sicher und lenkte die Kugel mit einer Hand zur Ecke.
Auf der anderen Seite probierte es Aydin mangels Anspielstation aus 23 Metern selbst, der Schuss war aber, wie alle vorherigen auch, harmlos (72.). Dennoch konnte man zu diesem Zeitpunkt konstatieren, dass sich das letzte Aufgebot der Dritten bei einer Niederlage selbst geschlagen hätte. Sie gingen auf Risiko – was blieb ihnen sonst auch? Für Duwo verpasste die gerade für Torschützin Göpfert eingewechselte Janina Westphal in der 75. Minute am zweiten Pfosten eine sehr nah vors Tor gezogene Ecke von Aust, die durch den Fünfmeterraum segelte. Es war klar, dass Duwo noch zu Möglichkeiten kommen würde, wenn dem HSV nicht der Ausgleich gelang, aber wie sollte es angesichts des Mangels an Torgefahr etwas damit werden? Agyei-Mensah probierte es mit der Brechstange und zog die lange, robuste und vor allem schussstarke Abwehrchefin Alina Ogundipe zehn Minuten vor Schluss in die Spitze.
Das eröffnete Duwo natürlich Optionen. Nach einem Fehler von Reiß marschierte Aust an Aydin vorbei und zog etwas überhastet aus 20 Metern ab. Den Schlenzer sicherte sich Schwing mühelos (83.). Sekunden später machte es Aust auch per Freistoß, vor denen Zweite-Coach Peter Schulz noch gewarnt hatte, aus 26 Metern nicht besser, verzog. Der HSV zog den letzten Joker und brachte die wuselige Senem Ulas für die müde gelaufene Patricia Zimmermann. Und dann war sie plötzlich da, die große Chance in der 88. Minute: Schwings Abschlag kam weit in die gegnerische Hälfte, Ogundipe behauptete sich kraftvoll und spitzelte weiter zu Ernst. Die wurde noch bedrängt und rettete die Tormöglichkeit mit einem langen Schritt, aber der Ball flog über den Kasten. Dem Chancenverhältnis nach wäre der Ausgleich sehr schmeichelhaft, auf der anderen Seite aber kämpferisch absolut hochverdient gewesen.
Die Schlussphase erlebte den Höhepunkt der Hektik, die sich durch das gesamte Spiel zog, wofür insgesamt vier Gelbe Karten, je zwei pro Team, ein deutliches Statement abgeben. Dazu kam in der Nachspielzeit die verletzungsbedingte Auswechslung von Aust gegen Lena Riediger, bei der sich Duwo jedoch auch viel Zeit ließ. Beide Teams bekamen noch einmal Torchancen. Zunächst zog Aydin aus 20 Metern harmlos ab, wobei sie Abspieloptionen ungenutzt ließ (90.+2). Auf der anderen Seite spielte Schlichting Schulz frei. Wieder war die offensive Mittelfeldspielerin unbedrängt vor Schwing, zögerte einen Tick zu lang. Schwing machte sich zunächst breit und groß und verhinderte durch eine starke Fußparade den entscheidenden Treffer für Duwo. Es blieb beim 1:0.
Der HSV belohnte sich für den bravourösen Kampf in Halbzeit zwei leider nicht selbst. Dafür fehlte es in der Offensive an Möglichkeiten. Wenigstens einer der vier Ausfälle hätte an diesem Tag entscheidend wirken können. Nach der Gesamtleistung ging der Sieg der Gastgeberinnen nicht in Ordnung, nach dem Chancenverhältnis hätte er höher ausfallen können, wenn nicht müssen. Duwo war im zweiten Spielabschnitt erschreckend schwach, doch der HSV konnte daraus kein Kapital schlagen. Aber Punkte waren unter diesen Umständen sowieso nicht einzuplanen. Den Klassenerhalt müssen sie ohnehin gegen andere Gegner sicherstellen. So am kommenden Samstag im Heimspiel (15:30 Uhr, Ochsenzoll) gegen Aufsteiger TSC Wellingsbüttel, der sein Auftaktspiel bei Pokalsieger SV Wilhelmsburg 0:6 verlor und am Wochenende gegen Nienstedten wegen Unbespielbarkeit des Platzes (der Rasen war zu hoch – kein Scherz!) frei hatte.
Statistik:
TSV Duwo 08: Sierk – Israel, Skoruppa, Edler, Ka. Nikolai – Göpfert (74. Westphal), Kahl, Schulz, Schlichting – Aust (90.+1 Riediger), Müller
HSV III.: Schwing – Witte, Karrenbauer, Ogundipe, Peters – Ernst, Spack, Aydin, Reiß – Kleberc (64. Lüdemann), Zimmermann (84. Ulas)
Schiedsrichter: Christian Haude mit Jonas Gabriel Blank und Frederik Johannes Blank (alle Ahrensburger TSV)
Tor: 1:0 Göpfert (21.)
Gelbe Karten: Israel (Duwo, 51. Minute, Meckern), Müller (Duwo, 77. Minute, Foulspiel), Spack (HSV, 83. Minute, Foulspiel), Aydin (HSV, 90. Minute, Foulspiel)