Auf dem Papier stand den 1. B-Juniorinnen des HSV eine schwere Aufgabe bevor: Im Finale des Oddset-Pokals trafen sie als Hamburger Meister auf den Vizemeister DSC Hanseat, und in den drei Ligapartien gab es immer vergleichsweise knappe Ergebnisse. Zudem besetzten nur zwei Angeschlagene die Bank der Rothosen. Dennoch: An der Favoritenrolle änderte das nichts. Dieser wollten sie gerecht werden und mit einem guten Gefühl in die Norddeutsche Meisterschaft eine Woche später starten.
Auf dem Feld trafen zwei Systeme aufeinander, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Der HSV agierte im 4-1-2-3-System, das auch Achim Feifel bei den 1. Frauen einsetzt, dort wahlweise aber auch mit Doppelsechs, also umgedrehtem Mittelfelddreieck. Aber auch so sollten die Rothosen situationsweise in die Doppelsechs wechseln. Ungewöhnlich war – allerdings aus der Not geboren – die Aufbietung von Offensivspielerin Justine Kusi als Rechtsverteidigerin. Der DSC Hanseat setzte drei Spitzen und ein Vierer-Mittelfeld dagegen, das unüberlicherweise mit Doppelsechs statt mit Raute agierte. Am ungewohntesten war jedoch der Anblick einer Dreierkette in der Abwehr. Per se muss das nicht schlecht sein, denn wenn alle Mannschaften mit Viererkette spielen, weiß jeder, wie man so eine aushebelt, und nicht zuletzt wurde die griechische Nationalelf im Jahr 2004 mit Dreierkette Europameister.
Und zu Beginn schien es auch, als könnten die in Rot-Schwarz gekleideten Dulsbergerinnen den Favoriten gehörig ärgern. Als Vivian Kellner in der 5. Minute aus 23 Metern die erste Tormöglichkeit hatte, verfehlte ihr Schuss das Tor um zwei Meter. War das der erste Warnschuss? Drei Minuten später gerieten die Hanseatinnen aber etwas durcheinander. Bei einem Zweikampf hatte sich Abwehrspielerin Betty Paha verletzt und humpelte über die Torauslinie hinaus. Trainer Adrian Strzedula schickte sofort Melisa Dinkcioglu aufs Feld, doch Schiedsrichter-Assistentin Jacqueline Herrmann, die auch in der 1. Frauen-Bundesliga an der Linie steht, zeigte ihrer „Chefin“ Sara Milinovic eine Regelwidrigkeit an. Der DSC hatte den Wechsel anzumelden versäumt. Dinkcioglu musste es büßen, sah regelkonform die Gelbe Karte.
Erst nach zwölf Minuten konnte sich der HSV, der die Initiative des Spiels zu übernehmen bemüht war, erstmals entscheidend durchsetzen und gefährlich in den Dulsberger Strafraum kommen. Kapitänin Sebnem Dairecioglu schickte Rechtsaußen Henrike Diekhoff auf dem Flügel steil. Die überlief ihre Gegenspielerin, ihr Flankenversuch wurde zunächst aber abgeblockt. Im zweiten Versuch brachte sie den Ball flach in den Strafraum an den ersten Pfosten. Lysianne Poleska nahm ihn an, dribbelte zum Eck des Fünfmeterraums und zog aus spitzem Winkel ab. Elena Harding im Tor des DSC hatte keine Abwehrchance – 1:0.
Für die in Blau-Weiß spielenden Rautenkickerinnen war das der Startschuss. Nur eine Minute nach dem Tor musste Harding einen Abschluss der aufgerückten Lina Kunrath aus gut dreißig Metern mit Mühe zur Ecke lenken. In der 16. Minute klärte Hanseat einen Ball zu kurz, und er kam zu Diekhoff. Sie passte von rechts steil in den Sechzehner auf die aus dem Mittelfeld gegen die herauslaufende, auf Abseits spekulierende Defensive gestartete Dairecioglu, die den Ball mitnehmen konnte, nachdem Nadine Ledderer ihn verpasst hatte. Dairecioglu tauchte frei vor Harding auf und schob locker zum 2:0 ins lange Eck.
Der HSV hatte die Partie nun im Griff und spielte weiter vorwiegend über rechts nach vorn. Nach 24 Minuten flankte Dairecioglu direkt in den Strafraum, der Ball geriet jedoch etwas zu weit. Bode erlief ihn, dribbelte gegen Dinkcioglu und spielte kurz weiter zu Poleska. Die bekam ihn zwar nicht unter Kontrolle, konnte aber wieder für Bode ablegen, und die traf flach zum 3:0. Hanseat protestierte, wollte eine Abseitsstellung von Poleska erkannt haben, die nicht gänzlich verneint werden konnte, aber Milinovic gab den Treffer. Noch vor Wiederanpfiff kam Betty Paha wieder für Melisa Dinkcioglu herein. Und sah gleich die nächste erfolgreiche Aktion von Paulina Bode. An zwei Gegenspielerinnen dribbelte die Mittelfeldakteurin vorbei und schloss ab. Ihr Schuss wurde noch leicht abgefälscht und landete zum 4:0 im Kasten (26.).
Die Rothosen wirkten sehr konzentriert und setzten den Außenseiter weiter unter Dauerdruck. Vor allem aber brauchten sie nur wenige Chancen für ihre Tore. Die Überlegenheit wurde zunehmend deutlicher. Nach einer halben Stunde entging Diekhoff auf dem rechten Flügel einer Grätsche von Ledderer und gab kurz zurück zu Martens. Die drehte sich, ihr Linksschuss wurde von Kim-Sara Hübner abgefälscht und ging knapp am Pfosten vorbei. Abschließend verzog Justine Kusi aus 26 Metern halbrechter Position klar (34.).
Die Führung des HSV war auch in der Höhe verdient. Nach offenem Beginn waren sie spielbestimmend, spielerisch und kämpferisch überlegen. Der DSC hielt im Rahmen seiner Möglichkeiten dagegen, konnte sich nach gutem Beginn aber kaum entscheidend durchsetzen. Defensiv hatte der Vizemeister einerseits Pech, machte andererseits aber auch vermeidbare Fehler. Immer wieder haderten sie mit der Schiedsrichterin, die viel laufen ließ.
Zum zweiten Durchgang kam Ivana Jovic beim DSC Hanseat für Andrea Strzedula. Der HSV machte dort weiter, wo er vor dem Seitenwechsel aufgehört hatte. Diekhoffs Flanke von der rechten Eckfahne ließ Poleska volley vom rechten Fuß abtropfen, der Ball senkte sich aber als Bogenlampe aufs Tor (44.). Wieder ging es über rechts. Kusi warf zu Diekhoff ein. Nach deren scharfer Hereingabe hielt Poleska wieder den Fuß hin, und dieses Mal ging das Spielgerät unhaltbar ins kurze Eck zum 5:0 (47.).
Nur eine Minute nach dem Tor tankte sich Dairecioglu gegen drei Gegenspielerinnen allein durch, suchte Poleska am Fünfmeterraum und gab das Leder hoch herein. Doch bevor die Adressatin ans Leder kam, sprang Paha dazwischen – und bugsierte es unglücklich ins eigene Netz zum 6:0.
Die Partie blieb einseitig. In der 53. Minute war es mal Poleska, die von links auf den Kopf von Diekhoff flankte, die aber konnte nicht verwerten, der Kopfball ging frei stehend ohne Druck deutlich rechts am Tor vorbei. Sechzig Sekunden später bekam Torhüterin Harding mal wieder was zu halten – das Bemerkenswerte daran war aber das Wie: Kusi zog aus 28 Metern stramm ab, Harding flog zum Ball und klatschte ihn nach rechts ab. Er blieb im Spiel. Poleska erlief ihn, schaute und entschied sich, es aus drei Metern spitzestem Winkel selbst. Sie chippte den Ball auf das kurze Eck. Aber Harding war rechtzeitig auf den Füßen, wischte den Ball mit einem großartigen Reflex hoch in die Luft und über die Latte aufs Tornetz. Das war von allen Beteiligten ganz hohe Fußballschule!
Drei Minuten darauf setzte Dairecioglu wieder ein Dribbling an und beendete es erfolgreich durch zwei Gegenspielerinnen hindurch, ehe sie zu Diekhoff ablegte. Deren Flachschuss vom rechten Strafraumeck war für Harding kein großes Problem. Beim HSV kam nach einer Stunde Spielzeit Kimberly Bühl für Lina Kunrath herein.
Und die durfte gleich mitjubeln. Im direkten Anschluss brachte Poleska einen Eckball von rechts direkt aufs Tor. Harding lenkte den Ball an den Pfosten, von wo er vor die Füße von Dairecioglu fiel. Die hatte keine Zeit für eine Reaktion, er traf ihr Schienbein, klatschte erneut an den Pfosten und sprang zurück zur Kapitänin. Aus einem Meter stocherte Dairecioglu ihn dann zum 7:0 über die Linie. Noch so ein kurioses Tor.
Der HSV war weiter am Drücker. Erst scheiterte Diekhoff einmal mehr flach an Harding. Dann hatte Martens Pech. Einen Steilpass von Anna Peters schirmte sie mit dem Körper geschickt ab und nahm das Runde in den Strafraum mit. Dort zog sie aus 13 Metern ab – an die Latte (65.). Ihren nächster Versuch per Aufsetzer schnappte sich Harding sicher. Danach steckte Bühl halblinks durch, Poleska schoss aus spitzem Winkel rechts vorbei (67.). Nach 69 Minuten zog Dairecioglu aus 15 Metern ab und traf den Pfosten.
Der DSC Hanseat bewies Moral. Abschlachten lassen wollten sie sich nicht und drängten sogar auf den Ehrentreffer, mit Offensivaktionen wie zu Spielbeginn. Aber Gefährlicheres als ein Schuss von Tugba Duru aus 17 Metern, bei dem Anna-Lena Stäbler im HSV-Tor sicher unten war, sprang dabei nicht heraus.
Statt dessen drehte der HSV in der Schlussphase noch einmal auf. In der 76. Minute bekam Martens vor dem Strafraum den Ball, dribbelte an Jessica Strzedula vorbei, stand frei vor Harding und schob zum 8:0 ein.
Die nächste Torszene leitete eine Abwehrspielerin ein: Jana Lübker, zusammen mit Anna Peters für die letzten Minuten in den Sturm beordert, steckte auf Martens durch in den Strafraum. Deren Schlenzer fälschte Jessica Strzedula noch ab, und der Ball landete zum 9:0 im Tor.
Letzte Szene in der Nachspielzeit: Eckball Poleska von der rechten Seite, Kusi verpasste per Kopf, aber von Lübkers Bauch sprang die Kugel zum 10:0 ins Tor.
Am Ende gewann der HSV auch in der Höhe verdient gegen den DSC Hanseat, dessen Offensive für ein Gegentor aber ohne Lohn blieb. In der Endabrechnung waren sie zu harmlos. Gepaart mit einem Gegner HSV, der im Vergleich zu den Ligaspielen gnadenlos effektiv war und sich eine Vielzahl an hochkarätigen Tormöglichkeiten erarbeitete, war eine Niederlage in dieser Größenordnung und Deutlichkeit zwar nicht erwartet worden, aber folgerichtig. In der Summe stand eine Chancenbilanz von 23:2 für den Bundesliga-Nachwuchs.
Statistik:
Hamburger SV I.: Stäbler – Kunrath (60. Bühl), Lübker, Peters, Kusi – Kämereit – Bode, Dairecioglu – Poleska, Martens, Diekhoff
DSC Hanseat: Harding – Hübner (71. A. Strzedula), Ledderer, Paha (8. Dinkcioglu / 24. Paha) – K. Jovic, von der Wehl – Lämke, Kellner . J. Strzedula, A. Strzedula (41. I. Jovic), Duru
Schiedsrichterin: Sara Milinovic (SV Altengamme) mit Jacqueline Herrmann (TuS Osdorf) und Jennifer Brand (FC Voran Ohe)
Tore: 1:0 Poleska (12.), 2:0 Dairecioglu (16.), 3:0 Bode (24.), 4:0 Bode (26.), 5:0 Poleska (47.), 6:0 Paha (48., Eigentor), 7:0 Dairecioglu (60.), 8:0 Martens (76.), 9:0 Martens (78.), 10:0 Lübker (80.+1)
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